Herdecke. . Zum letzten Mal können Herdecker in dieser Woche Bedenken gegen den Höchstspannungsmasten äußern. Etwa 1500 wären von dem Bau betroffen.
- Mit dem Erörterungstermin im Wittener Saalbau endet das Planfeststellungsverfahren zum Neubau der Stromtrasse
- Die Veranstaltung beginnt am 21. März um 9 Uhr und ist nicht öffentlich
- Mehr als 900 Einsprüche aus Herdecke gingen bei der Bezirksregierung ein
Das vorerst große Finale: Mit dem Erörterungstermin im Wittener Saalbau endet formell das Planfeststellungsverfahren zum Neubau der Höchstspannungsfreileitung von Dortmund über Herdecke nach Hagen. Die Lokalredaktion hat im Vorfeld wissenswerte Fakten zusammengestellt.
Worum geht es?
Der Netzbetreiber Amprion will vom Umspannwerk Kruckel bis Dauersberg in Rheinland-Pfalz auf 113 Kilometern eine vorhandene Stromtrasse ausbauen – die neue Freileitung soll statt 110/220 eine Spannung von 380 Kilovolt führen. Das Unternehmen beruft sich auf das 2009 verabschiedete Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG). Projektziel: das Stromnetz flexibler und leistungsfähiger machen. Oder anders: Durch den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung gebe es bundesweit einen erheblichen Ausbaubedarf bei Stromtrassen. Angestrebt ist, den Bau dieser Höchstspannungsleitung 2022 abzuschließen.
Wie stark ist Herdecke betroffen?
Sehr. Elf Kilometer lang ist der Abschnitt von Dortmund bis zum Umspannwerk in Garenfeld, die Trasse führt durch die Wohngebiete am Schnee, Schraberg und Semberg. Nach Schätzungen der Bürgerinitiative Semberg wären mehr als 1500 Herdecker, die im Trassenkorridor leben, vom Bau betroffen. Mehr als 900 Einsprüche aus Herdecke und damit vergleichbar viele gingen im Herbst 2015 bei der Bezirksregierung Arnsberg ein, die über das Projekt befinden muss.
Was passiert beim Erörterungstermin, wer darf daran teilnehmen?
Die Veranstaltung ist nicht öffentlich. Im Wittener Saalbau wird die Behörde auch keine Entscheidung verkünden, ob sie den Neubau genehmigt, ein Gutachten in Auftrag gibt oder den Antrag ablehnt. Zugelassen sind am 21. März (eine Verlängerung bis zum 24. März ist möglich) ab 9 Uhr nur Bürger, die eine Einwendung geschrieben und eine Einladung mit entsprechenden Ausführungen vorliegen haben. Die Teilnehmer müssen diese mitbringen, sich ausweisen oder eine Vollmacht der verhinderten Person vorlegen können. Anwesend werden sein: Vertreter der Bezirksregierung, von Amprion, Naturschützern, Verbänden und Behörden (Träger öffentlicher Belange). Die Stadt Herdecke will ebenso vor Ort sein wie die Bürgerinitiative Semberg und die Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom, die allesamt auf die Unterstützung des Fachanwalts Philipp Heinz setzen. Nach einer Projekt-Vorstellung gibt es Gelegenheit für Fragen oder (kritische) Anmerkungen. Die Bezirksregierung hofft auf einen sachlichen Austausch, aus den Reihen der Betroffenen ist mit emotionalen Beiträgen zu rechnen. Übrigens: Wer an dem arbeitnehmer-unfreundlichen Termin verhindert ist, muss sich keine Sorgen um seine Einwendung machen. Die bleibt laut Bezirksregierung inhaltlich vollumfänglich bestehen und sei letztlich wichtiger als ein mündlicher Beitrag im Saalbau.
Gesundheitsgefahren und Erdverkabelung
Keine allseits anerkannten Erkenntnisse liegen bezüglich der Gesundheitsrisiken durch Stromtrassen vor. Zwar gibt es verschiedene Studien zu elektrischen und magnetischen Feldern mit entsprechenden Folgen (u.a. Krebs), doch sind die Rückschlüsse mit der Festlegung von Grenzwerten oder Abständen zu Häusern umstritten. Amprion beruft sich darauf, gesetzlich erforderliche Grenzwerte einzuhalten.
Komplex ist auch die Debatte um Leitungsverlegungen unter der Erde. Amprion meint, dass es zu wenige Erfahrungen für solche Wechselstrom-Projekte gibt. Dem entgegnen Befürworter, dass dies wie in Bayern bei entsprechendem Willen dennoch möglich sei. Womöglich kommt das kurz vor dem Abschluss stehende Verfahren rund um Herdecke zu früh für Erdverkabelung.
Wie geht es danach weiter?
Durch den Erörterungstermin endet die Anhörung mit Bürgerbeteiligung, die schon mit dem Raumordnungsverfahren begonnen hatte. Zu einem nicht absehbaren Zeitpunkt verkündet die Bezirksregierung dann (öffentlich) den Planfeststellungsbeschluss. Innerhalb von vier Wochen kann dagegen beim Bundesverwaltungsgericht Klage mit entsprechender Begründung in sechs Wochen eingereicht werden – allerdings nicht von der BI Semberg oder der Prozessgemeinschaft. Die wiederum sammelt für den teuren Prozess einer oder mehrerer betroffener Privatpersonen Geld und hat auch bereits potenzielle Kläger im Visier. Noch nicht endgültig geklärt ist für diesen Fall derzeit die Rolle der Stadt Herdecke, die ebenfalls Klagebereitschaft signalisiert hat.
Wie stehen die Chancen, den Trassenbau in Herdecke zu verhindern?
Das ist schwer einzuschätzen, da sich die Bezirksregierung nicht in die Karten schauen lässt. In den Antwortschreiben an Einwender hat sie Stellungnahmen von Amprion angefügt und selbst noch keine Bewertung vorgenommen.
Gibt es eine Alternative zum Trassenverlauf durch Herdecke?
Ja, und zwar entlang zweier Autobahnen, was die Stadt Herdecke und Bürger-Vertreter bevorzugen. Dazu hat Amprion eine 72-seitige Stellungnahme verfasst, die die Bezirksregierung im Internet veröffentlicht hat. Tenor: Technisch wäre die im Vergleich etwas längere Trasse an der A45 und A1 umsetzbar, es gebe dadurch aber neue Betroffenheiten von einigen (im Vergleich zu Herdecke deutlich weniger) Bürgern in insgesamt vier Stadtteilen von Dortmund und Schwerte. 60 Wohngebäude hätten dort weniger als 200 Meter Abstand zur Trasse. Schutzgüter wie Boden, Tiere, Wasser oder Wald seien dadurch stärker belastet. Laut Landesentwicklungsplan sollen vorhandene Trassen Vorrang haben, um Leitungen zu bündeln. Im Stadtgebiet Herdecke verbleiben Leitungen von AVU und Deutscher Bahn, zum Koepchenwerk-Anschluss bräuchte es bei der Autobahn-Variante eine neue 110-kv-Leitung durch die Ortschaft. Laut höchstrichterlicher Urteile sollen Höchstspannungsleitungen vorrangig in vorbelasteten Bereichen gebaut werden, so Amprion.