Herdecke. . Mit ihrer Familie soll Arzu von Herdecke zurück nach Afghanistan. Kinder aus ihrer Klasse möchten „bitte, bitte, bitte“, dass sie bleiben kann.

  • Seit Mai letzten Jahres geht Arzu (10) auf die Schrabergschule in Herdecke
  • Sie ist im Laufe der Zeit ziemlich aufgetaut und nicht mehr so ängstlich
  • Nun soll sie mit ihrer Familie zurück nach Afghanistan. Ihre Mitschüler verstehen das nicht

Schreckliches hat Arzu in ihrem jungen Leben erlebt. Dinge, über die sie zunächst mit ihren Mitschülern ganz schlecht reden konnte. Dafür sprach ihr ganzer Körper. Verschüchtert und ängstlich wirkte das Mädchen, das mit seiner Familie aus Afghanistan nach Herdecke geflüchtet ist und das nun fürchten muss, wieder dahin zurück geschickt zu werden, wo Kinder Waffengewalt erleben und Morde mit ansehen müssen.

Im letzten Mai kam Arzu Sharifi in die Grundschule am Schraberg. „Sie trug lange Hosen mit Wollkleidern darüber. Drei Kopftücher verhüllten ihre Haare, wobei sie ständig darauf achtete, dass sie nicht verrutschten, damit kein Blick auf ihre Haare frei wurde“, erinnert sich Maren Walter, Klassenlehrerin der 4b. Mittlerweile trägt Arzu nur noch ein Kopftuch. Und das sitzt recht locker. „Man sieht den Haaransatz. Sie lächelt mehrmals am Tag“, freut sich Maren Walter über die langsame Befreiung Arzus aus ihren Ängsten vor den Taliban und den brutalen Erlebnissen.

Schwester Dunia weint vor Angst

In den Pausen spielt das Mädchen „Pferdchen“ oder springt Seil. Auch in Afghanistan vertreiben sich Kinder so ihre Zeit. Nicht aber in der Schule, wenn man ein Mädchen ist. Arzu war verboten, das Haus zu verlassen. Sollte sie doch nicht Beute der Taliban werden.

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Jetzt aber kann sie zeigen, wie gerne und wie schnell sie lernt, wie fleißig sie auch an den Wochenenden arbeiten kann. Ihre jüngere Schwester Dunia geht zwei Klassen unter ihr auf die Schraberg­schule, ihr ältester Bruder Umid hat einen Platz an der Friedrich-Harkort-Schule gefunden. Die beiden Großen bieten sich ihren Eltern als Dolmetscher an. In den vergangenen Wochen war das besonders wichtig. Im November erreichte Gulbudin Sharifi (36) und seine Frau Fershta (35) ein Schreiben, dass die Abschiebung in die Heimat vorbereitet werde.

Maren Walter hat die Post gelesen und den Schriftwechsel mit dem Behörde auch. Der Asylantrag der Sharifis sei abgelehnt worden, „weil nicht zu vermuten sei, dass sie in Afghanistan gefährdet seien“. Dabei haben die Zurückgebliebenen in Kundus Fershta schon wissen lassen, dass es für sie keinen Platz gibt. Und friedlicher ist es auch nicht geworden. „Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie das eine sichere Zuflucht sein soll“, sagt Maren Walter.

„Arzu war wie traumatisiert“, erinnert sich ihre Klassenlehrerin an die Abschiebeandrohung, „und ihre kleine Schwester war von Weinkrämpfen geschüttelt. Die hat einfach nur Angst.“ Dabei ist die Familie so außerordentlich bemüht, sich zu integrieren, berichtet Maren Walter.

Mitschüler schreiben eifrig Briefe

Und natürlich hat sie dabei besonders Arzu vor Augen. „Sie ruft bei kranken Kindern in ihrer Klasse an und erkundigt sich, wie es ihnen geht.“ Auch ihren Eltern ist es wichtig, welche Fortschritte sie in der Schule macht. Immer wieder kommen sie und erkundigen sich. Ob es an dem großen Ziel liegt, das sich Arzu, die daheim nicht einmal zur Schule gehen kann, in Deutschland gesetzt hat? Abitur will sie machen, studieren und Ärztin werden. Wenn sie bleiben darf.

Ihre Mitschüler wissen, dass Arzu und ihre Eltern dafür kämpfen. „Ich wollte nicht, dass die Kinder in der Klasse eines Morgens nur den leeren Platz von Arzu sehen“, sagt Maren Walter. Dass Arzu droht, wieder dahin zurück zu müssen, wo ihr Leben so schrecklich war, hat ihre Mitschüler schockiert. Jedes Kind hat einen tollen Brief geschrieben, erzählt die Lehrerin. Und all die Briefe sind an die Rechtsanwältin gegangen, die sich für einen Verbleib der Sharifis in Deutschland einsetzt.

Arzu hat sie alle gelesen. „Sie ist eine Freundin geworden“, zitiert sie aus einem der über 20 Briefe. „Wir wollen Arzu bei uns behalten“, steht in einem anderen. Und: „Sie will doch auch nicht wieder zurück.“ Besonders nachdrücklich: „Arzu soll in Deutschland bleiben dürfen. Bitte, bitte, bitte!“