Herdecke. . Seeschlösschen, Villa Funcke, Funckenburg oder Niedernhof: Im Juni 2012 fand in Herdecke die erste Standesamt-Trauung am Hengsteysee statt.
- Spannende Geschichte rund um Gebäude an der Stadtgrenze
- Nach Bau 1872 spielte Privat-Brücke eine wichtige Rolle für die Funckes
- Öffentliche Gastronomie vor Jahren geschlossen
Die Lage, die Geschichte, die Nutzung: Allein vier Namen zeigen, dass das Seeschlösschen am Hengsteysee ein besonderes Bauwerk sein muss. Was auf Herdecker Boden nahe der Stadtgrenzen zu Dortmund und Hagen steht, hat 1872 der Unternehmer Bernhard Wilhelm Funcke II. als seinen Landsitz errichtet. Manche nennen das Gebäude daher die Villa Funcke, Funckenburg oder den Niedernhof, so lautet auch die Adresse. Von der führte früher auch eine Brücke über den legendären Mäuseturm in der Seemitte zur anderen Uferseite.
Ein neues Kapitel kam vor knapp fünf Jahren hinzu. Die Besitzer, die für ein Gespräch mit der Redaktion nicht zur Verfügung standen, hatten der Stadt Herdecke im April 2012 das Seeschlösschen als Ort für standesamtliche Trauungen vorgeschlagen. „Und der wird angenommen“, heißt es aus dem Rathaus. Sechs Mal nutzten 2016 Eheleute das Haus für diese Art der Ambiente-Trauung. In diesem Jahr ist das neben individueller Absprache an einigen festgelegten Terminen möglich: 3., 10., 13., 17. und 31. Mai, 10. und 28. Juni, 5. und 8. Juli, 9. und 16. August sowie 6. und 9. September.
Café-Betrieb nur für Gesellschaften
Für die Hochzeitsgesellschaften kommt ein Zuschlag von 50 bzw. 126 Euro (inner- oder außerhalb der regulären Öffnungszeiten) zu den normalen Standesamt-Kosten hinzu. Die Café Seeschlösschen GmbH verlangt über den mit der Stadt geschlossenen Mietvertrag Geld für die Bereitstellung der Räumlichkeiten und bietet zudem verschiedene Arrangements an. Je nach Wunsch oder Catering-Organisation zieht dann am nördlichen Uferweg unter freiem Himmel wieder Leben in das Café ein, das vor einigen Jahren auch Radfahrern und Spaziergängern noch offen stand.
Ob eine Wiederbelebung der öffentlichen Gastronomie im Zuge der Freizeit-Aufwertung der Ruhrstauseen ein Thema werden könnte, ist nach Einschätzung der Stadt komplett offen und noch nicht besprochen.
Dabei gibt es dort eine Anlegestelle für das Ausflugsschiff Freiherr vom Stein, das dort gelegentlich Station macht. Das wäre dort früher und vor dem Bau des Hengsteysees nicht möglich gewesen, als über die Ruhr noch eine Brücke führte. Diese Verbindung nutzten Bernhard Wilhelm Funcke II. und III. als erste Eigentümer, um von der Herdecker Villa zu ihrer Holzschraubenfabrik nach Hagen zu kommen. So entstand im Volksmund ihr plattdeutscher Spitzname „Schruwenwilm“.
1895 erwarb der jüngere Funcke weitere Ländereien, darunter die Ruine des 1857 abgebrannten Rittersitzes Niedernhofen bei Hengstey, etwa 700 Meter flussabwärts. Die Funckenburg blieb im Familienbesitz, weitere Verwandte wie Enkel Karl Ernst Osthaus kamen zum Landhaus, in dem auch Henry van de Velde einkehrte. Zu den Nachfahren gehörte auch Liselotte Funcke, langjährige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Hagener Ehrenbürgerin.
Mäuseturm und Seilhängebrücke
Auf einer Insel und quasi auf halber Strecke befindet sich der Mäuseturm. Eine private Hängebrücke zwischen zwei steinernen Türmchen überspannte damals die Ruhr. Während andere Fähren nutzen mussten, kamen die Funckes so auf direktem Weg zum Unternehmen. In einem Gebäude auf der Strecke hauste der Kutscher, zudem gab es Stallungen für die Pferde, die Funcke dann anspannen ließ.
1919 erwarb der Ruhrverband die Ländereien des Niedernhofs, um von 1926 bis 1929 das Wasser für den neuen Hengsteysee aufzustauen. „Es gab Überlegungen, an der Stelle eine richtige Brücke zu bauen, doch das war zu teuer“, teilt der Ruhrverband mit und erklärt zugleich, warum einige Meter flussaufwärts unter der Hohensyburg der bis heute stehende Übergang (Dortmunder Straße) entstand. Funckes Brücke wurde ebenso abgebaut wie die Zugänge. Nur der Mäuseturm steht noch. Zu dessen Namen gibt es zwei Herleitungen: entweder durch dort lebende Fledermäuse oder den Vergleich zum Wehr- und Wachturm im Rhein bei Bingen.