Herdecke. (wm) Mit ihrem Start in Peking schlägt Nadine Schmutzler vom RC Westfalen ein neues Kapitel lokaler Sportgeschichte auf. Vor ihr schafften bereits fünf weitere Wassersportler der Ruhrstadt die Aufnahme in das deutsche Olympia-Team.

Meinrad Miltenberger (1924- 1993) nahm als Mitglied des Herdecker Kanuclubs schon 1952 an den Spielen in Helsinki teil. Goldmedaillen holten die Deutschen bei dieser ersten Teilnahme nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht. Auch Miltenberger sammelte zunächst nur Erfahrungen. Das hielt eine Gruppe aus Wassersportlern, Rat und Verwaltung aber nicht davon ab, dem Kanuten nach seiner Rückkehr aus Finnland einen improvisierten Empfang an der früheren Rathaustreppe zu bereiten. Für sie war "Auto", wie ihn alle nannten, Vorbild und Siegertyp. Legendär die Worte des damaligen Bürgermeisters Rasche, der den Heimgekehrten mit dem in letzter Sekunde selbst korrigierten Satz hochleben ließ: "Unserem Olympia-Sie . . .Teilnehmer ein dreifaches Hipp-Hipp-Hurra!" Gestört hat das keinen.

Der etwas verfrüht gefeierte Olympia- Sieger gewann nur vier Jahre später in Australien. Ballarat, westlich von Melbourne, war Austragungsort der Regatta. In dem ehemaligen Goldgräber-Dorf hatten im 19. Jahrhundert schon viele vergeblich geschürft. "Auto" wurde mit seinem Partner M. Scheuer auf Anhieb fündig und holte Gold im Zweier-Kajak über 1 000 Meter.

Matthias Mellinghaus vom RC Westfalen Herdecke saß 1988 im Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes. In der Saison mit 13 Siegen ungeschlagen scheute man auch in Seoul/Korea die Favoritenrolle nicht. Und doch wäre beinahe alles an einer kleinen Schraube gescheitert. Bei der Fahrt zum Start wackelte auf Platz 3 wegen fehlender Befestigung das Stemmbrett, auf dem die Füße des Ruderers fixiert sind. Der Start wurde verschoben. Trainer Ralf Holtmeyer strampelte mit dem Rad verzweifelt 2 000 Meter zurück zum Bootslager, um Ersatz zu beschaffen. Dort war alles verschlossen, der Mann mit dem Schlüssel nicht auffindbar. Nach einer Stunde Hektik die Reparatur, der Start, ein mörderischer Zwischenspurt bei der 900- Meter-Marke, am Ende eine klare Führung, Sieg und Gold.

Ein paar Tage später fuhr eine kleine Fan-Gruppe aus dem Ruhrgebiet erneut an den Han-River. Ein weiterer Herdecker, Carsten Lömker, der für die KG Essen startete, hatte sich mit seinem Partner N. Ellwanger für den Endlauf im Zweier-Kajak über 1 000 Meter qualifiziert. Ein Wimpernschlag-Finale bescherte dem deutschen Boot unter acht Finalisten am Ende Rang vier. 98 Hundertstel fehlten für den Bronze-Rang.

Von einem Pech anderer Art war Markus Bräuer, ebenfalls RWH, betroffen, der als Ersatzmann im bundesdeutschen Ruder-Team zu den Olympischen Spielen nach Barcelona mitreiste. Bei einem Ausfall im Männer-Vierer oder -Achter hätte man auf ihn setzen können. Beide Besatzungen blieben aber fit; Markus kam damit nicht zum Zuge. Ihm blieb als Trost der Silberrang im Vierer ein Jahr zuvor bei der WM in Wien.

Seit acht Jahren ist er in Herdecke zu Hause: Peter Thiede, dienstältester Steuermann des Deutschland-Achters. Silber hat er bereits 1996 bei den Spielen in Atlanta geholt. Auch diesmal ist er wieder für den RC Hansa Dortmunf dabei. Die gerade zurückliegenden Turbulenzen um eine Neubesetzung des Bootes für Peking liefen an ihm vorbei. Thiede stand nie zur Disposition. Er war und ist der ruhende Pol. Nun steuert er in China eine neue Crew, die nicht in der Favoritenrolle steckt.

Eine echte Endlaufchance und mehr hat sicher auch der Frauen-Achter, in dem sich Nadine Schmutzler einen Stammplatz gesichert hat. Entscheidend wird wie immer sein, wer im August nach einer harten Wettkamp-Phase noch das Optimum an Leistung abrufen kann. Trainer Ralf Holtmeyer hatte mit seiner Taktik bereits vor 20 Jahren Erfolg, als er den Männer-Achter um Matthias Mellinghaus glänzend vorbereitete. Vielleicht ist das ein gutes Omen.