Herdecke. . Der Hagener Versorger Enervie beschloss, dass das Cuno-Kraftwerk in Herdecke trotz wirtschaftlicher Verluste im Reservebetrieb weiter läuft.
Die Hängepartie ist (vorerst) beendet: Bei der gestrigen Sitzung entschied der Aufsichtsrat des Stromversorgers Enervie, dass das Cuno-Kraftwerk in Herdecke nicht stillgelegt und trotz jahrelanger Verluste weiter betrieben wird. Eine Entscheidung über die Zukunft der Gas- und Dampfturbinen-Anlage (GuD) sollte eigentlich schon Ende 2015 fallen, doch dauerten die Gespräche zwischen der Enervie-Tochter Mark-E als Betreiberin und dem anderen 50-Prozent-Gesellschafter Statkraft länger als zunächst angenommen.
Zeitnah wird das Kraftwerk durch Umstellungen des Betriebskonzepts in eine Art Reservebetrieb überführt. Somit kann die Anlage punktuell Strom produzieren, was marktgerecht abgepasst werde. Das bedeutet angesichts reduzierter Betriebsstunden auch personelle Einschnitte. Für die künftige Nutzung werden weniger als die zuletzt ca. 30 kaufmännischen und technischen Mitarbeiter am Standort Herdecke benötigt, betriebsbedingte Kündigungen gebe es nicht.
Immer weniger Betriebsstunden
Hintergrund: Seit der Inbetriebnahme im Herbst 2007 nach Investitionen von rund 200 Millionen Euro ist Strom aus der Anlage nach 2012 kaum noch gefragt. Das Cuno-Kraftwerk lief in den vergangenen beiden Jahren fast nur noch zur Netzstabilisierung und war wie andere Enervie-Kraftwerke bis Ende 2015 im „Zwangseinsatz“ zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Mit Leitungserweiterungen (u.a. durch eine Verbindung zur AVU auf dem Gelände an der Stadtgrenze Wetter) endete dieser Engpass vorerst. Diese provisorische Lösung bleibt bestehen, bis der vorgeschaltete Netzbetreiber Amprion den gesetzlich vorgesehenen Ausbau seines 380-kV-Höchstspannungsnetzes mit dem Anschluss am Knotenpunkt in Hagen-Garenfeld beendet hat.
Somit hofften Mark-E und Statkraft seit Jahresbeginn, dass das Cuno-Kraftwerk marktbedingt Strom produzieren könne. Dabei haben die Energiepreise für GuD-Anlagen in den vergangenen Monaten leicht angezogen, liegen laut Enervie „aber immer noch im negativen Bereich. Das heißt: Die Betriebskosten der Anlage sind (immer noch) deutlich höher als der Erlös an der Strombörse durch den produzierten Strom.“
Der Aufsichtsrat des Hagener Versorgers entschied sich in Abstimmung mit Statkraft aber dennoch für den Fortbestand der Anlage, da die laufenden Kosten durch diverse Maßnahmen deutlich verringert werden konnten bzw. können. Dazu zählen u.a. ein neuer Gasliefervertrag zu verbesserten Konditionen, optimierte Wartungs- und Instandhaltungskosten sowie geringere Personalkosten. Erfreulich sei auch die Entwicklung an der Börse („Sparkspreads“) insbesondere wegen gesunkener Erdgaspreise. Daher kommen die Verantwortlichen für das Cuno-Kraftwerk zum Schluss: „Ein Ganzjahresbetrieb ist zwar nach wie vor nicht wirtschaftlich, punktuell sind jedoch wieder Deckungsbeiträge zu erzielen.“
Folgen der Energiewende
Wegen der Verluste und „Marktverwerfungen“, wie Enervie die negativen Auswirkungen der Energiewende nennt, bleibe aber ein sehr bitterer Beigeschmack. Die Anlage mit 400 Megawatt Leistung sei mit einem Wirkungsgrad von fast 60 Prozent weltweit eine der effizientesten und umweltfreundlichsten Anlagen ihrer Art.
Im Zuge der „Fehlsteuerung der Energiemärkte“ stand auch das Cuno-Kraftwerk auf der Kippe. Der Hagener Versorger hatte 2013 seinen kompletten konventionellen Kraftwerkspark mit rund 1300 Megawatt Gesamtleistung bei der Bundesnetzagentur zur Stilllegung angemeldet. Und im Frühjahr 2014 bekannt gegeben, sich aus der konventionellen Stromerzeugung zurückzuziehen, da sich konventionelle Steinkohle- und Gaskraftwerke dauerhaft nicht rentieren würden. Angesichts negativer Marktsignale und Börsenpreise legte Enervie die GuD-Anlage in Hagen-Kabel Anfang 2016 still, jene in Werdohl-Elverlingsen ist nur noch punktuell zur Abdeckung von Lastspitzen im Einsatz.
In Herdecke musste sich die Enervie-Tochter Mark-E mit dem norwegischen Konzern Statkraft einigen. Der betreibt ein noch moderneres GuD-Kraftwerk in Köln-Hürth mit noch höheren Verlusten, hatte aber darauf hingewiesen, dass die Gas- und Dampfturbinen-Technik zukunftsfähig sei.