Wetter/Herdecke. . Kinder toben gerne im Freien, aber der Raum dafür wird knapper und gefährlicher. Reichlich Platz dagegen bieten Wälder und Bauspielplätze.
Häufiger draußen mit anderen Kindern spielen: Das ist der Wunsch vieler Mädchen und Jungen in Deutschland – und auch das Ergebnis einer bundesweiten Online-Umfrage des Deutschen Kinderhilfswerks. Anlässlich des Weltspieltages 2016 machten rund 2000 Kinder mit. Erfüllt wird ihr Wunsch immer weniger: Viele „parkende und zu schnell fahrende Autos auf den Straßen“, „ständig meckernde Erwachsene“ und „keine Spielmöglichkeiten in der Nähe“ nennen die befragten Kinder als Hauptgründe für den fehlenden Spielspaß im Freien.
Gründe, die Melanie Prange und Nina Leuschner gut nachvollziehen können. Die beiden jungen Mütter leben mit ihren Familien in Wengern. Und obwohl in ihrer Nachbarschaft am Jageplatz viele Kinder wohnen — einen Spielplatz in der Nähe gibt es nicht. „Für mich ist die Spielplatzsituation hier völlig unzureichend“, erklärt Melanie Prange, Mutter dreier Söhne zwischen vier und neun Jahren. „Der Spielplatz am Mühlchen ist stark auf Kleinkinder ausgerichtet, das Gelände an der Osterfeldschule weit weg und der früher nächst gelegene Spielplatz im Bremmen abgebaut.“ Doch wo können Kinder draußen spielen, ohne Platz? „Unsere beiden Söhne sind oft auf der Straße, im Wendehammer“, erzählt Nachbarin Nina Leuschner. Hier treffen sich die Mädchen und Jungen aus der Reihenhaussiedlung, spielen Ball, fahren Roller, Fahrrad und Skateboard, malen Kreidestraßen und Hüpfkästchen – fast so wie früher, scheint es. Aber eben nur fast. Das Autoaufkommen ist hoch, die Parkreihen in der Straße dicht: „Es fahren hier viele Autos durch, manche leider auch sehr schnell“, weiß Melanie Prange. Letztens habe ein von den spielenden Kindern genervter Autofahrer sogar absichtlich noch einmal Gas gegeben. Verständnislos schütteln beide Mütter den Kopf. „Natürlich ist hier viel los, wenn einmal alle Kinder draußen sind und spielen“, so Leuschner. „Aber auch Kinder brauchen Raum – und der sollte möglichst nicht nur drinnen vor dem Computer sein.“
Wald als Ur-Spielplatz
Draußen ist auch der Lieblingsplatz von Carl (9), Ida (8) und Theo (8) aus Alt-Wetter. Nicht auf einem Spielplatz, nicht auf der Straße, im Wald spielen die Geschwister am liebsten. „Hier ist der beste Spielplatz“, erklärt Carl überzeugt, während er mit Schwester und Bruder über einen umgestürzten Baum balanciert, die riesige Wurzel mit dem Schnitzmesser freilegt und im nahe gelegenen Schnodderbach nach Molchen Ausschau hält. „Eigentlich ist der Wald doch der Ur-Spielplatz“, sagt die Mutter der drei, Stefanie Drowatzky, lächelnd. Den Kindern gefällt’s: „Man hat hier viel Platz, kann alles ausprobieren und auch noch Tiere sehen“, erklären die Geschwister. Vögel, Hasen, Feuersalamander und Molche gehören bei einem Spielnachmittag im Wald einfach dazu.
Und andere Kinder? „Null Prozent“, antwortet Carl prompt auf die Frage, wie vielen jungen Mitspielern sie hier begegnen. „Wir waren als Kinder früher ständig im Wald, heute wird das immer seltener“, so Drowatzky. „Dabei ist das doch das echte Leben. Klar, die Kinder werden dreckig, es geht mal was kaputt, und es kann auch Verletzungen geben. Aber sie lernen auch viel – im freien Spiel mit ihrer eigenen Fantasie.“
Raum für freies Spiel
Viel Raum, freies Spiel und Platz für Fantasie gibt es in Wetter und Herdecke jeden Sommer auf den Bauspielplätzen. Hunderte Kinder lassen dann auf dem Gelände des Berufsbildungswerks in Volmarstein und am Kalkheck in Herdecke aus Holz- und Palettenhaufen bunte Budenstädte entstehen. „Da werden die Kinder richtig kreativ“, erzählt Anne-Kathrin Forke, Jugendpflegerin in Wetter und gemeinsam mit Daniel Starosta von der Evangelischen Stiftung für die Organisation des Bauspielplatzes verantwortlich. „Es ist toll zu sehen, welche Ideen da umgesetzt werden.“ Selbst Kinder, für die das Spielen fern von zu Hause und im Freien fremd sei, „tauen schnell auf und erweitern ihre Bauspielplatzzeit oft von einer auf drei Wochen“, freut sich Forke.
Neue Erfahrungen sammeln
„Auf dem Abenteuerspielplatz sammeln die Kinder ganz andere und oftmals neue Erfahrungen“, beobachtet auch Holger Steiner, Koordinator der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Herdecke und zuständig für den dortigen Bauspielplatz. Hütten bauen und einrichten, Zeit ohne Handy und PC, aber mit viel frischer Luft verbringen – das gehört für viele Kinder heute nicht mehr zum Alltag. „Beim Bauen, Bemalen und Spielen lernen sie, wie man mit einfachen Mitteln gemeinsam viel Spaß haben kann“, so Steiner. Ein Konzept, das aufgeht und in beiden Städten bereits Tradition ist.
Eine Tradition mit Zukunft. Anne-Kathrin Forke: „Die Nachfrage hat in den letzten Jahren stark zugenommen.“