Wetter/Herdecke. . Leinen los heißt es seit Jahrezehnten für die Personenschifffahrt auf dem Harkort- und Hengsteysee. Das liegt auch an zwei urigen Kapitänen.
Es heißt: Der Kapitän geht als Letzter von Bord. Im Falle von Rigo Suttner und Jürgen Dörnbach gilt hinzuzufügen, dass diese zwei Originale auch die Ersten auf ihren Schiffen sind. Jene heißen Friedrich Harkort und Freiherr vom Stein. Der gelernte Schiffsführer Rigo Suttner (57) schippert seit 1964 durch die Gegend und ist seit 1984 Hauptverantwortlicher für den Harkortsee bei der Personenschifffahrt Meyer. Schon als Kind fuhr Suttner dort mit und gehört seither quasi zur Familie. Maschinenbautechniker Jürgen Dörnbach (65) übernahm den Betrieb auf dem Hengsteysee von seinem Vater, der dort seit 1954 noch zu Zeiten von Lux-Werften Passagiere über das Wasser transportierte, ehe diese das Boot 1986 an die Dörnbachs verkauften. Höchste Zeit für ein launiges Gespräch mit den beiden Herdeckern am Schiffswinkel.
Meine Herren, Sie sind Beide schon in jungen Jahren in die Personenschifffahrt hinein gewachsen. Was hat sich über all die Jahre verändert?
Jürgen Dörnbach: Im Laufe der Zeit gab es etliche Modifizierungen auf den Schiffen, vom Restaurant über den Motor bis hin zu behindertengerechten Zugängen.
Rigo Suttner: Die Modernisierung betrifft alle Bereiche, ob Toiletten oder den Bordausschank, der heute ein erheblicher Faktor in dem Geschäft ist. Die größte Erneuerung war, dass es Strom an Bord gab. Früher haben wir alles mit Gas gemacht.
Dörnbach: Jau, da kam immer ein Ingenieur für 290 Mark zur Gasprüfung. Eines aber ist bis heute geblieben: Unser Geschäft steht und fällt mit dem Wetter.
Suttner: Stimmt, manche Sommer waren echt bitter. Aber wir sind alle noch da und können auf eine lange Zeit zurückblicken, in denen es mal besser und mal schlechter lief. Unsere Fahrgäste sind mittlerweile überwiegend ältere Leute. Und die Zeiten, als wir nachts noch unterwegs waren, sind vorbei.
Dörnbach: Ich habe den Eindruck, dass viele Leute – vielleicht auch aus Geldgründen – eher hier bleiben und Naherholung in ihrer Umgebung suchen. Aber so ein Schiff zu chartern, ist ja nicht ganz billig, wir machen beispielsweise auch keine Abiturientenfahrten mehr. Früher gab es bei uns Feten bis zu ganz später Stunde, da war richtig Rambazamba an Bord.
Suttner: Würden wir das heute machen, müsste man am Tag danach vieles renovieren, wenn ich allein an den Teppich oder die Stoffbänke denke...
Wie sieht denn eigentlich Ihr Jahr aus?
Suttner: Wir sind im Schnitt 200 Tage durchgehend mit dem Schiff unterwegs, laut Betriebsbuch kommen wir auf 1050 Stunden in der Saison. Was aber die wenigsten wissen wollen: Wir machen alles selbst, also einkaufen, putzen und mehr.
Dörnbach: Das geht dann von morgens bis abends, drei Viertel einer Woche verbringen wir als Familienbetrieb quasi komplett auf und an dem Schiff. Ich bin ja damit groß geworden, da ist sehr viel Herzblut dabei. Mein Glück ist, dass mein Sohn auch Schiffsführer ist und meine Frau neben den Büroangelegenheit sich auch an Bord etwa um die Begrüßung und den Ausschank kümmert.
Suttner: Meine Frau ist auch mit dabei, zudem fährt meine Mutter auch immer wieder mal mit. Die Familie muss das mitmachen, man selber muss schon Bock darauf haben. Ich bin dafür geboren, die Schifffahrt ist genau mein Ding.
Dörnbach: So wie Udo Lindenberg das singt! Wobei wir beide uns auch seit unserer Kindheit kennen, wir sehen uns also nicht als Konkurrenten oder Wettbewerber, sondern helfen uns gegenseitig auf freundschaftlicher Basis, wenn etwa mal was kaputt ist oder Ersatzteile fehlen.
Suttner: Da wir teilweise die selben Motoren, Kupplungen, Anlasser oder Lichtmaschinen hatten bzw. haben, unterstützen wir uns. Denn eines ist klar: Der Verlust eines guten Sonntags-Geschäfts ist schwer wieder ‘reinzuholen. Allein der Diesel ist ja richtig teuer geworden, manchmal ist das schon ein hartes privatwirtschaftliches Geschäft.
Dörnbach: Pfingsten war es so kalt, da haben wir um 15 Uhr aufgehört.
Blicken wir auf die Örtlichkeiten. Wie haben sich die Seen verändert, was sagen Sie zu den Plänen bezüglich der Aufwertung des Freizeitreviers?
Suttner: Wir beide profitieren von den Entwicklungen in Herdecke rund um das Quartier Ruhraue, seither kommen noch mehr Auswärtige aus der nahen Umgebung zu uns. Früher fuhren mit der Friedrich Harkort etwa 60 Prozent Wetteraner und 40 Prozent Herdecker, das Verhältnis hat sich umgedreht. Auch am Seeplatz in Wetter ist es besser geworden. Viel Werbung brauchen wir eigentlich nicht. Und mit den Gastronomien ist es ein Geben und Nehmen.
Dörnbach: Hier am Hengsteysee fehlt so eine Promenade wie am Quartier Ruhraue, man könnte es attraktiver gestalten. Wir sind schon froh, wenn das Ufer frei geschnitten ist und uns die Leute von den Wegen aus sehen können. Ein Traum wäre es, wenn wir unsere Schiffe schleusen könnten und so von der Hohensyburg bis nach Wetter durchfahren könnten. Wir haben einige Stammkunden, dazu Kooperationspartner, mit einigen Enten könnte ich mich duzen.
Suttner: Den See kenne ich mittlerweile wie mein Wohnzimmer. Große Probleme bereitet uns aber die Elodea. Die Wasserpest macht vor allem unserem Schottel-Ruderpropeller für den Antrieb zu schaffen, der ist sehr empfindlich. Wenn wir aber mal eine Schneise gefahren haben, profitieren davon dann auch die Wassersportler.
Wie aufwändig ist es eigentlich, das Schiff instand zu halten?
Suttner: Die aktuelle Friedrich Harkort ist die zweite Schiffs-Generation und seit 1971 im Einsatz, 2002 wurde sie renoviert. Die Pflege ist intensiv, im Prinzip das A und O. Wir müssen immer wieder nachrüsten, vieles geschieht in Eigenarbeit. Und alle fünf Jahre kommt das Schiff zur Generalüberholung an Land, das ist dann teuer.
Dörnbach: Auch dabei sprechen wir uns ab, um die Kosten im Blick zu halten. Ich bin seit 1986 mit meinem ersten Schiff unterwegs, das dann in Sachen EU-Norm und Umweltaspekten angepasst werden musste. Auch die Optik und die Sauberkeit sind sehr wichtig. Die Freiherr vom Stein soll möglichst bis zu meinem Tod halten.
Was waren Ihre schönsten, was Ihre schlimmsten Erlebnisse? Und welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Dörnbach: Schön ist es, wenn die Hütte voll ist. Schlimm ist es, wenn das Schiff eine Woche leer bleibt.
Suttner: Ich habe schon zwei Wasserleichen entdeckt, die die Feuerwehr dann geborgen hat. Viele Gedanken über die Zukunft habe ich mir noch nicht gemacht, ich bin ja noch jung...
Dörnbach: So wie es aussieht, übernimmt mein 34-jähriger Sohn eines Tages das Geschäft. Und es wäre natürlich wünschenswert, wenn das Koepchenwerk hier wie andernorts alte Zechen hergerichtet wird und so ein Museum mit Gastronomie entstehen würde. Auch gegen eine Surf-Anlage wie am Biggesee hätte ich nichts. Mit Blick auf hiesige Vereine oder andere Anlieger kann ich sagen: Hier tut keinem dem anderen weh. Also bin ich mal optimistisch, dass alles so bleibt oder zum Teil noch besser wird.