Herdecke/Wetter. . Ein aufwändiger Prozess: Das Amtsgericht Wetter verurteilte einen Herdecker (28) zu einer Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung.
Die Ereignisse der Osternacht 2015 in Wetter mit drei verletzten jungen Männern gaben dem hiesigen Amtsgericht Rätsel auf. Dort musste sich einer der drei Beteiligten jetzt wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Der Herdecker (28) beteuerte jedoch, sich lediglich gewehrt zu haben. Das sah das Gericht nach einer umfangreichen Beweisaufnahme anders.
Streit nach Streit mit Freundin
Nach einem Osterfeuer trafen die jungen Männer in den frühen Morgenstunden des 5. April am Spielplatz an der Ardeystraße aufeinander. Sie wären sich besser nicht begegnet. Zur späteren Überzeugung des Gerichts stießen der Angeklagte und ein Freund zunächst auf dem Heimweg auf die Freundin des Mannes, den er später attackierte. Die junge Frau war nach einem Streit mit ihrem Freund (21) aufgelöst und hilflos, da sie ihn verloren hatte und sich nicht auskannte.
Ihn und zahlreiche andere Nachtschwärmer fand das Duo auf dem Spielplatz, wo es einen ersten Disput zwischen dem Angeklagten und dem 21-Jährigen gab. Wenig später schlug dessen Kumpel auf ein am Straßenrand geparktes Auto ein und löste damit eine Lawine aus. Während er verschwand und sich selbst auf unerklärliche Weise und an ganz anderer Stelle einen Schulterbruch und eine Kopfplatzwunde zuzog, wollte ihn der 21-Jährige noch vor einem Angriff des erzürnten Angeklagten schützen, wurde dabei von dem zu Boden geworfen und erhielt einen Tritt gegen das Gesicht. Dabei erlitt der 21-Jährige einen Bruch des Augenhöhlenbodens, eine so genannte Orbitabodenfraktur.
Doch auch der Angeklagte wurde in dieser Nacht verletzt. Er zog sich – wie und wo auch immer – einen Trümmerbruch in der Hand zu. Ein Zeuge sprach später sogar von dem Gerücht, dass der 28-Jährige in der Nacht noch in eine ganz andere Auseinandersetzung verwickelt gewesen sein sollte.
Er selbst lieferte Polizei und Gericht später mehrere Versionen dessen, was sich in der Nacht aus seiner Perspektive abgespielt haben sollte. Das, so betonte er später im Prozess, sei der Nervosität geschuldet gewesen und dem Umstand, dass er durcheinander gewesen sei, als er davon erfahren habe, dass nicht nur er Anzeige erstattet habe, sondern auch Vorwürfe gegen ihn erhoben worden seien. Seine Einlassung vor Gericht entspreche dem, was sich tatsächlich zugetragen habe. Demnach sah er quasi aus dem Augenwinkel, wie ihn der 21-Jährige anspringen wollte und machte eine Abwehrbewegung, bei der er sich den Trümmerbruch in der Hand zuzog und der Andere zu Boden ging. „Ich habe ihn nicht ins Gesicht getreten“, beteuerte er immer wieder. Und: „Ich wollte nichts Böses.“
Für das Gericht entpuppte sich die Aufklärung des Falls als durchaus anspruchsvolle Aufgabe mit drei Verhandlungstagen, zig Zeugen, zwei rechtsmedizinischen Sachverständigen und einem Ortstermin. Ein Teil der Zeugen wollte oder konnte sich an die Tatnacht nicht erinnern – was auch auf Alkoholkonsum zurückgeführt werden durfte. Die Version des Angeklagten, so das spätere Fazit der Vertreterin der Staatsanwaltschaft, bestätigte keiner von ihnen.
Die Freundin des Geschädigten mit den schweren Gesichtsverletzungen bekundete indes im Zeugenstand, dass sie gesehen habe, wie der Angeklagte den 21-Jährigen zu Boden warf und dann gegen seinen Kopf trat. Ein Rechtsmediziner betonte in seinem Gutachten, die Verletzungen des Opfers seien typisch für einen Faustschlag oder Tritt. Nach der Demonstration der möglichen Abwehrbewegung, die der Angeklagte einzig gemacht haben wollte, erklärte der Experte, dass dies auch die Verletzungen plausibel erklären würde. „Das wäre ein unkonventionell ausgeführter Faustschlag – egal, ob gezielt oder nicht.“
Das Gericht hatte keine Zweifel daran, dass die Verletzungen von einem Tritt des Angeklagten herrührten. Entgegen der Verteidigung, die die Freundin des Opfers als nicht glaubhaft einstufte und sicher war, dass sie aus der von ihr beschriebenen Position das Geschehen gar nicht hätte sehen können, vertrat Richter Christian Potthast die Überzeugung, dass die Aussage in sich schlüssig sei und die junge Frau eine gute Sicht auf den Vorfall hatte, so sein Eindruck nach dem Ortstermin. Sie habe sich um Präzision bemüht und habe, so wie der Geschädigte im Übrigen auch, keine Belastungstendenz besessen.
Schmerzensgeld an das Opfer
Dem entgegen stünden die mehreren Variationen des Angeklagten. „Es war ein permanenter Reifungsprozess in der Einlassung – bis es passte“, so Potthast. Der 28-jährige Herdecker wurde zu acht Monaten Haft auf Bewährung und zur Zahlung von 1000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer verurteilt. Doch da der Verteidiger auf Freispruch plädierte, könnte das Ganze durchaus ein Nachspiel vor einer Berufungskammer des Hagener Landgerichts haben.