Herdecke. . Mehrere Mütter hatten Anzeige gegen Behördenmitarbeiter erstattet – unter anderem wegen Kindeswegnahme. Die Staatsanwaltschaft ermittelte und stellte das Verfahren ein.
Verwundert hat sich wohl mancher Herdecker die Augen gerieben – so er denn jetzt zur Mittagszeit vor dem Fernseher saß und RTL eingeschaltet hatte: In der Sendung Punkt 12 stand das Herdecker Jugendamt im Fokus eines Berichts. Zwei Frauen erheben darin schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Behörde, die gedroht hätten, Kinder aus ihren Familien zu nehmen. Auch von einer Durchsuchung der Jugendamtsräume durch die Polizei war die Rede.
Nach der RTL-Reportage sollen insgesamt elf Mütter betroffen sein. Zu Wort kommt neben Renate Klöcker, die derzeit in Bochum leben soll und für die Lokalredaktion nicht zu erreichen war, auch die Herdeckerin Melanie Lemke. Sie kämpft darum, das Kind ihrer psychisch kranken Tochter großziehen zu dürfen. In dem RTL-Beitrag erklärt sie, es würde schon lange versucht, ihr Enkelkind aus der Familie zu nehmen. Und bei einem Besuch eines Jugendamtsmitarbeiters habe sie Angst gehabt, dass dieser ihr das Wort im Mund umdrehen und ihr irgendetwas unterstellen würde. Gegenüber unserer Zeitung mochte sie sich nicht weiter äußern; sie wolle keine Hetzjagd. Am Ende sei ihr nur dies wichtig: „Unser Ziel ist es, als Familien zu heilen und in Frieden und ohne Angst zu leben.“
Auf Nachfrage erklärte die Pressestelle der Kreispolizeibehörde Schwelm, dass es tatsächlich ein Ermittlungsverfahren gegeben habe. Aber, so Polizei-Sprecherin Laura Schäfer weiter: „Eine Durchsuchung des Jugendamtes Herdecke durch unsere Polizeibehörde hat es nicht gegeben.“
Am Verhalten „nichts auszusetzen“
Bei der Staatsanwaltschaft in Hagen war zu erfahren, dass das Ermittlungsverfahren seit dem 18. Mai 2015 eingestellt ist. „Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass an dem Verhalten der Jugendamtsmitarbeiter in strafrechtlicher Hinsicht nichts auszusetzen war. Die Betroffenen waren aber nicht einsichtig und haben die Einstellung des Verfahrens mit einer Beschwerde angefochten. Doch auch die Staatsanwältin in Hamm sah keinen hinreichenden Tatverdacht“, so Oberstaatsanwalt Dr. Gerhard Pauli. Sie wies die Beschwerde zurück.
Was war geschehen? Nach Angaben des Oberstaatsanwalts gingen die Ermittlungen auf Strafanzeigen von vier bzw. fünf Müttern zurück, „die im Wesentlichen die Verfahrenspraxis des Jugendamtes der Stadt Herdecke in Fällen der Kindeswohlgefährdung betrafen.“ Es hätten umfangreiche Vernehmungen der Mütter sowie weiterer Zeugen stattgefunden. „Ich habe mir die Fälle alle selber angeschaut“, so Gerhard Pauli. Im Kern hätten die Frauen den Jugendamtsmitarbeitern vorgeworfen, in unzulässiger Weise Druck auf sie ausgeübt zu haben, wobei mit der Inobhutnahme der Kinder gedroht worden sei bzw. solche unrechtmäßig durchgeführt worden seien.
Auch Richtern des Amtsgerichts Wetter hätten die Frauen vorgeworfen, rechtswidrig gehandelt zu haben. Diese Vorwürfe seien ebenfalls haltlos gewesen. Pauli: „Weitere Vorwürfe in den Strafanzeigen fußten auf reinen Mutmaßungen, die keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen boten.“
Stadt nimmt Stellung
In einer aktuellen Stellungnahme der Stadt Herdecke heißt es, dass die gegen das Jugendamt erhobenen Vorwürfe „vollkommen unzutreffend“ seien. Dies sei dem RTL-Reporter „mitgeteilt und auch ausführlich begründet“ worden, was sich jedoch mit keinem Wort in dem Beitrag wiederfinde.
Weiter heißt es, dass die Inobhutnahme von Kindern stets die allerletzte Lösung sei, die Mitarbeitern eines Jugendamtes zur Verfügung stehe. „Nur in ganz besonders gelagerten Fällen darf hiervon Gebrauch gemacht werden, zum Beispiel: dauerhaftem Nichtnachkommen der Schulpflicht, Gewalt gegenüber den Kindern bzw. in der Familie oder Verwahrlosung der Kinder. Leider handelte es sich bei dem im Fernsehbeitrag genannten Fall um einen besonders gelagerten Fall, so dass zum Wohle der Kinder gehandelt werden musste.“ Die Notwendigkeit des Eingreifens sei durch mehrere Gerichtsbeschlüsse des Oberlandesgerichtes Hamm bestätigt worden.