Herdecke. . Mit Humor, Herzlichkeit und Verantwortungsgefühl machte Schwimmmeister Michael Schröder im Herdecker Freibad seinen Job, der eigentlich viel mehr war als das.

Es ist nicht gerade Badewetter, als Schwimmmeister Michael Schröder an seinem alten Arbeitsplatz auf viele Erlebnisse zurückblickt. Nach 40 Jahren Dienst im Herdecker Freibad geht er in den Ruhestand. Nochmal: vierzig Jahre! Ohne Unterbrechung! In seiner Heimat- und Geburtsstadt! Im Schneetreiben erinnert er sich an die stressige Anfangszeit, an Besucherrekorde, an Höhen und Tiefen. Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster hat ihm bei der Verabschiedung mit Urkunde und Blumen gesagt: „Du wirst uns fehlen.“

Wer dem 65-Jährigen gegenüber sitzt, erkennt schnell, dass es sich bei ihm um eine markante Type handelt. Auffälliger Schnäuzer, Ohrring, kräftige Statur, Lachfalten im Gesicht. Er züchtet Riesen-Bonsai-Bäume, sein größtes Exemplar sei 2,50 Meter hoch. „Der wächst wie hulle.“ Die Verwaltung nennt ihn ein Herdecker Urgestein, nahezu jeder kenne und schätze ihn aus dem Freibad oder den Hallenbädern am Bleichstein sowie Schraberg. Das liege an Schröders Herzlichkeit, seinem Humor und Verantwortungsgefühl. „Ich habe mich immer bemüht, dass hier kein Kind ertrinkt, das ist mir und uns immer gelungen.“

Zweimal wurde es eng. 1989 war eine Nichtschwimmerin in ein tiefes Becken geraten und hatte dort einen Schock erlitten, Schröder musste das zehnjährige Mädchen wiederbeleben. „Dabei habe ich von ihr noch einen Schwall Wasser abbekommen.“ Ebenfalls glimpflich ging ein Vorfall vor zehn Jahren aus. Nachdem sich Jugendliche untereinander „gedöppt“ hatten, reanimierten seine Kollegen das Opfer. Auch an den offenen Schienbeinbruch eines Badegastes kann er sich erinnern. Doch das sei alles halb so wild. In den 1990-er Jahren, „da hatte ich eine Zeit lang keine Lust mehr auf meinen Job.“

1993 etwa hatte der Schwimmmeister Streit mit einem fast erwachsenen Badegast, der in der Wärmehalle seine Schuhe nicht ausziehen wollte. „Plötzlich zog der Mann eine Waffe und bedrohte uns.“ Nach dessen Flucht setzten Schröder und Co. ihm nach. Dann fiel ein Schuss aus der Gaspistole. Später sollte ein Gericht den Heranwachsende mitsamt Familienangehörigen verurteilen. Ein weiterer Tiefpunkt ereignete sich in dieser Zeit an einem Samstag, als der Ur-Herdecker wegen eines aufziehenden Gewitters alle aus den Becken scheuchte. Einer widersetzte sich ihm und drohte nach entsprechender Ansage: „Ich bring’ dich um, du Schwein.“ Während sich Schröder bei der Auseinandersetzung einen Muskelfaserriss zuzog, schlugen ihm Kumpane des aufmüpfigen Badegastes von hinten auf den Kopf. „Gegen sie gab es später auch ein Verfahren, die hatten noch weitaus Schlimmeres auf dem Kerbholz.“

Mit der Kaffeetasse in der Sonne

Genug der Schauergeschichten. Zumal er über Generationen hinweg meist nette Gäste beaufsichtigte. Die schönste Erinnerung im Freibad? „Ich mochte es immer, wenn ich mich morgens nach den Vorbereitungen auf eine Bank setzen und ein paar Augenblicke die Sonne genießen konnte.“ Erst recht, wenn Kassiererin Bärbel Gebert sich zu ihm gesellte und sie einen Kaffee tranken. „Das war wie Urlaub.“ Als Aufsichtsperson habe er stets situationsbedingt mal strenger und dann auch wieder mildtätiger reagiert. „Man sieht schon am Gesichtsausdruck eines Badegastes, ob da Ärger droht“, sagt Schröder.

Auf das Freibad als Ort der Begegnung lässt er nichts kommen. Der Umbau Anfang der 1990-er Jahre habe sich gelohnt. Dabei hat Schröder noch Zeiten miterlebt, als 1977 satte 100 000 Badegäste kamen, nach einer sehr schlechten Saison 2014 waren es nur noch 34 400. Seine Erklärung für die sinkenden Zahlen: die Zunahme von Freizeitbädern in der Umgebung. „Und Ende der 80-er Jahre konnten wir mit unserem Angebot und den alten Sprungtürmen keinen Hering mehr vom Teller ziehen.“

Durch die alte Technik habe es früher mehr Arbeit für die Schwimmmeister gegeben. Das lag etwa an Aussetzern der Umwälzpumpe oder der anfälligen Filteranlage. „Wir waren schweißgebadet, wenn wir da ein Rad zugedreht haben.“ Zur guten alten Zeit gehört für ihn auch die einstige Eislaufbahn, die im Winter von 1977 bis 1990 nahe des Eingangs stand. „Christine Huss aus dem Gebäudemanagement hat früher viel für das Freibad getan.“ In der Neuzeit hingegen sei es maschinell anspruchsvoller geworden.

Angefangen an der Tankstelle

Spezielle Erinnerungen hat er an seine Anfänge als Schwimmmeister. Nach seiner Lehre an der Esso-Tankstelle in Herdeckes Hauptstraße arbeitete er bis 1971 bei der Reme in Wetter. Nach der Bundeswehr schulte er zum Maschinenschlosser um, als er auf die Stellenausschreibung der Stadt stieß. Seinen ersten Tag am 12. Juni 1976 im Freibad hat er gespeichert. „Es war ein heißer Sommer, wir hatten richtig viel zu tun. Ich bin anfangs herumgelaufen wie ein aufgescheuchtes Huhn.“ Er habe nicht genau gewusst, worauf er sich da eingelassen habe und sich mehrfach einen Sonnebrand eingefangen. Die erste Woche sei so anstrengend gewesen, „dass ich mich im hinteren Abschnitt mal auf eine Bank gelegt habe und eingeschlafen bin...“

Aqua-Fitness-Kurse geleitet

Der Sport war ihm in all den Jahren wichtig, drei künstliche Kniegelenke sind die Folge. Schröder leitete etwa Aqua-Fitness-Kurse. Fast 20 Jahre wohnte er zwischenzeitlich auch direkt am Freibad in der Wohnung an der Bleichsteinhalle. Von dort sah er, wie seine zwei Söhne hier aufwuchsen oder wie ihm die Verwaltung lange Leine ließ: „Der habe ich viel zu verdanken.“ Er erinnert sich auch an nette Kollegen. Zu denen zählt sein Nachfolger Alexander Krüger, der in der neuen Saison (wohl ab Pfingsten) mit Christopher Albrecht Aufsicht führt. Mit dem Ruhestand hat Schröder keine Probleme, da er sich länger darauf vorbereiten konnte. „Das Freibad ist nach 40 Jahren mehr als nur ein Arbeitsplatz für mich.“