Wetter/Herdecke. . Das Eintreffen vieler Flüchtlinge hat die Brotkörbe vor neue Herausforderungen gestellt. So reagieren Inge Holland (Wetter) und Irmingard Schewe-Gerigk (Herdecke) darauf.

Das Prinzip des Brotkorbs ist einfach: Lebensmittel, die im Geschäft zwar nicht mehr verkauft werden dürfen, aber durchaus noch halt- und verwertbar sind, werden an Menschen verteilt, deren Auskommen mehr als knapp bemessen ist. Seit sieben Jahren arbeitet der Brotkorb an der Gartenstraße in Wetter auf diese Weise gegen die massenhafte Vernichtung von Lebensmitteln und unterstützt zugleich diejenigen, die diese Hilfe gut gebrauchen können. In Herdecke hat der Brotkorb an der Hauptstraße vor zwei Jahren seine Tür geöffnet. Das Eintreffen der vielen Flüchtlinge in beiden Ruhrstädten hat die Brotkörbe vor neue Herausforderungen gestellt. Wir haben mit den Vereinsvorsitzenden Inge Holland (Wetter) und Irmingard Schewe-Gerigk (Herdecke) über die Situation gesprochen und wie sie darauf reagieren.

Einige Stammkunden bleiben weg

„Bei uns kamen ein Mal völlig unvermittelt 20 Flüchtlinge an“, erzählt Inge Holland, „von denen sich einige auch nach vorne gedrängt haben. Die Leute, die sonst immer zu uns kommen, waren mit dieser Situation ein bisschen überfordert. Und wir auch; denn wir mussten schnell noch 20 Körbe nachpacken.“ Ganz offenbar hatten viele Flüchtlinge angenommen, der Brotkorb sei ein Geschäft, in dem es superbillige Lebensmittel gebe. „Über die Paten, die sich ehrenamtlich kümmern, haben wir die Flüchtlinge darüber inzwischen aufklären lassen“, sagt Inge Holland. Knapp 70 bedürftige Menschen versorgen sie und ihre ehrenamtlichen Helfer Woche für Woche mit großen Körben voller Lebensmittel. „Inzwischen bieten auch Flüchtlinge ihre Hilfe an. Das finde ich toll“, so Inge Holland. Schwierigkeiten mit den Nachbarn gebe es nicht, „aber einige unserer ,Stammkunden’ sind dennoch weggeblieben, weil es ihnen zu viel wurde.“

Neue Regeln hat Inge Holland wegen ihrer vielen neuen „Kunden“ nicht aufgestellt; aber wer die ebenso resolute wie herzliche Wet­teranerin kennt, der kann sich gut vorstellen, dass sie energisch jedwedes Vordrängeln oder anderes Fehlverhalten schnell zu unterbinden vermag. Dazu gehöre auch, dass die vielen Kinder, die mitkommen und sich gerne ihre Schokolade abholen, lernen, dass der Verpackungsmüll nicht auf der Straße landen darf.

Auch in Herdecke änderte sich mit dem Zuzug von nahezu 400 Flüchtlingen die Situation vor dem Brotkorb. Kamen früher in der Regel um die 60 Leute, um sich Lebensmittelkörbe abzuholen, so sind es jetzt nahezu 100. „Wir öffnen jeden Mittwoch um 10 Uhr, aber einige stehen schon ab 6.30 Uhr hier, weil sie schnell drankommen wollen“, berichtete Irmingard Schewe-Gerigk. Da habe es zwischendurch nicht nur Klagen aus der Nachbarschaft gegeben, weil es zu laut geworden sei, sondern auch Drängeleien und Rangeleien junger Männer, die wenig Rücksicht nahmen etwa auf ältere gehbehinderte Frauen mit Rollator.

„Das hat uns Probleme bereitet, weil diese alten Frauen nicht zum Sozialamt gehen, obwohl sie einen Anspruch haben. Sie sagen: Ich habe doch im Krieg auch immer alles alleine geschafft. Diese Frauen sind Stammkunden, und einige sind nicht mehr gekommen. Auch, weil sie nicht so lange hier sitzen und warten können“, so Irmingard Schewe-Gerigk. Das sei eine Herausforderung für den Verein gewesen, auf die man angemessen reagieren müsse. Auch wenn es mal Situationen gegeben habe, „dass wir dachten, hier bricht alles zusammen. Aber man muss mit coolem Kopf daran gehen.“

Liste legt Reihenfolge fest

Also habe sich der Vorstand zusammen gesetzt, nach Lösungen gesucht und sie gefunden. Um Drängeleien zu vermeiden, wird nun vor der Lebensmittelausgabe eine Liste ausgelegt. „Da trägt man sich ein und kann dann erst mal wieder gehen“, so Schewe-Gerigk. Beim Eintragen in die Liste helfe Mehdi Kassem den Flüchtlingen. Kassem ist Syrer, lebt schon lange in Deutschland und hilft ehrenamtlich, wo er kann – auch als Dolmetscher. Aber nicht nur die Liste macht den Ablauf im Brotkorb wieder reibungsloser, auch für einige Seniorinnen, die zuletzt fern blieben, ist eine Lösung gefunden. „Wir vom Vorstand haben Patenschaften übernommen und beliefern die alten Frauen jetzt mit den Körben“, sagt Irmingard Schewe-Gerigk.

Letztlich habe man mit kreativen Ideen die Überzeugung der Kanzlerin – „Wir schaffen das!“ – umgesetzt. Sagt die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen und lächelt.