Hagen. . Beim Brandanschlag von Neonazis in Mölln kamen 1992 drei Menschen ums Leben. Anders als seine Verwandten hat Ibrahim Arslan damals überlebt.

  • Ibrahim Arslan überlebte Anschlag von Mölln
  • In Hagen berichtete er von seiner rettung
  • Drei Verwandte starben in den Flammen

Durchschnittlich vier von fünf Schülern der Janusz-Korczak-Grundschule in Wehringhausen haben einen Migrationshintergrund. Themen wie Rassismus, Fremdenhass und Diskriminierung gehören daher zum schulischen Alltag. „Wir haben uns gefragt, was wir dagegen tun können“, sagt Schulleiterin Annette Homberger. Sie haben Antworten auf diese Frage gefunden. Auf dem Stundenplan steht neben Deutsch und Mathe das Fach Sozialtraining: Vorurteile sollen abgebaut, Empathie aufgebaut werden.

Einen kleinen Raum haben die Wehringhäuser in eine Kleiderbörse umfunktioniert, in der sich sozial schwache Schulkinder bedienen können. Und in der Adventszeit wollen die Grundschüler Einrichtungen, wie etwa die Kinderklinik, besuchen und gemeinsam dort singen. Zusammen mit elf weiteren Schulen aus Hagen gehört die Grundschule dem bundesweiten Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ an. Einem Projekt des Vereins „Aktion Courage“, der 1992 als Reaktion auf fremdenfeindliche Übergriffe in Mölln, Solingen und anderen Städten ins Leben gerufen wurde.

Schüler organisieren "Party der Vielfalt"

Diesem Netzwerk von NRW-weit rund 500 Schulen gehört auch die Gesamtschule Haspe an. In ihren Räumlichkeiten haben die Hasper Bilder zum Thema Flüchtlinge und Asyl aufgehängt. Während der Pausen läuft in der Aula ein Video zur Reichspogromnacht – als Erinnerung an die grausamen Übergriffe der Nationalsozialisten auf die jüdische Bevölkerung.

„Immer dann, wenn sich die Reichspogromnacht jährt, legen wir auf der kleinen Brücke vor unserer Schule eine Scherbenspur aus und stellen Lautsprecher auf, aus denen Hassparolen oder Hundegebell zu hören sind“, erklärt Haspes Gesamtschüler Marcel Wenderoth (17). So können seine Mitschüler ein wenig nachvollziehen, wie die Juden damals vor den Scherbenhaufen ihrer Geschäfte gestanden haben und Angst um ihr Leben hatten. Beim Sternenlauf für Toleranz und Demokratie haben die Hasper ebenfalls schon mitgemacht.

Zudem haben sie die „Party der Vielfalt“ als Nachfolger von „Rock gegen Rechts“ in der Pelmke organisiert. Mit ihrem Engagement wollen die Hasper ausländerfeindlichen Übergriffen die Rote Karte zeigen. Nun kamen Schüler aus Wehringhausen, Haspe und vielen weiteren Schulen aus dem Netzwerk in der Pelmke in Wehringhausen zusammen, um sich dort die Geschichte von Ibrahim Arslan anzuhören und mit dem 30-Jährigen ins Gespräch zu kommen.

Haus angezündet

Denn Ibrahims Geschichte steht wie kaum eine andere für das Ausmaß fremdenfeindlicher Gewalt. Ein kurzer Rückblick in den November 1992: Mit seiner Familie wohnt der damals siebenjährige Ibrahim in der Mühlenstraße 9 im schleswig-holsteinischen Mölln. In der Nacht zum 23. November zünden Rechtsradikale das Haus seiner Eltern an. Ibrahims Oma, seine Cousine und seine Schwester kommen bei dem Brand ums Leben. Der heute 30-Jährige überlebt, da ihn seine Oma vor ihrem Tod in nasse Tücher gewickelt und in die Küche, die vom Feuer verschont wurde, gebracht hatte. Nachdem das Haus wieder aufgebaut ist, kehren die Arslans für fünf Jahre an der Ort der Trauer zurück. Alternativ hätten sie in ein Asylantenheim ziehen müssen. Sie entschieden sich für ihr altes Haus.

Irgendwann ging es nicht mehr, die schmerzhaften Erinnerungen an ihr Heim zwangen die Familie, Mölln den Rücken zu kehren. Wenn sich die Tragödie jährt, kommen die Arslans allerdings zurück. Zu einem Gedenktag, den seit rund drei Jahren Ibrahim eigenständig organisiert. Künstler wie Jan Delay oder Samy De Luxe sind seiner Einladung schon gefolgt und haben ein Konzert für die Hinterbliebenen gegeben. „Wir haben die Sehnsucht, unsere Geschichte zu erzählen“, sagt Ibrahim.

Selbstverpflichtung unterschreiben

Schulen, die dem Netzwerk beitreten wollen, müssen eine Selbstverpflichtung unterschreiben. Dabei verpflichten sich die Schulen unter anderem, langfristige Projekte zu entwickeln, um Rassismus zu überwinden.

In der Pelmke lauschen die Schüler zunächst dem Portraitfilm über Ibrahim, danach stellt er sich den Fragen der Jugendlichen. Fragen, bei denen es um Rassismus, Fremdenhass und Diskriminierung geht. Ibrahim hat es leidvoll erfahren müssen.