Hohenlimburg/Hagen. .
Es ist der Prozess mit dem unglaublichen Vorwurf: Ein 28-Jähriger Mann soll eine schwangere 16-Jährige auf dem Schulhof des Gymnasiums Hohenlimburg brutal vergewaltigt haben. Doch jetzt steht das Gericht vor seiner schwierigsten Aufgabe: Kann man dieser Zeugin glauben?
Landgericht, Saal 201, 9.58 Uhr: Die heute 17-Jährige tritt in Anwaltsbegleitung vor die Jugendschutzkammer. Als Beruf gibt sie „in Mutterschaft“ an. Richter Marcus Teich belehrt die Jugendliche zweifach: Sie müsse wahrheitsgemäß aussagen. Ihre Aussage habe „eine zentrale Bedeutung für das Verfahren“.
Falschaussage bei der Polizei
Aber auch für die Zukunft des Angeklagten. Sie war gerade 14, als sie ihn auf der Straße kennenlernte. „Er fuhr mit seinem Motorrad an mir vorbei.“ Man verabredete sich für den Abend. Am Tag darauf ging es ins Bett. Das war im Juni 2011. Die nächsten zwei Jahre „waren ein ständiges Auf und Ab, doch wir haben uns nie wirklich getrennt.“
Vier Monate nach dem Kennenlernen, im Oktober 2011, erschien die Zeugin bei der Polizei, um ihren Freund anzuzeigen: „Er hat mit mir geschlafen, obwohl ich erst 14 bin.“ Kurz darauf hat sie ihre Anzeige zurückgezogen: „Alles erlogen.“ Gestern sagte sie dazu: „Da wollte ich mit ihm wieder zusammen bleiben.“
Es blieb nicht die einzige Falschaussage. Vor Gericht sagte sie: „Ich habe drei Tage vor der Tat mit ihm Schluss gemacht.“ Bei der Polizei hatte sie angegeben: „Ich hatte mich etwa ein halbes Jahr zuvor von ihm getrennt.“ Auch über das angebliche Tatgeschehen gibt es unterschiedliche Versionen. Man hatte sich – das ist unstreitig – am 1. November 2013 gegen 15.30 Uhr auf dem Schulhof getroffen und gestritten. Der Angeklagte habe sie wütend angegriffen, gepackt und zu Boden geworfen, hieß es gestern vor Gericht. Bei der Polizei klang es noch so: „Von hinten ein Beinchen gestellt.“
Richter brachte es auf den Punkt
Auch über die Verletzungen im Gesicht, sie sind unzweifelhaft, gibt es zwei Versionen: „Er hat mich, als er auf meinem Babybauch saß, ins Gesicht geschlagen“ (vor Gericht), „ich weiß nicht, wo die Verletzungen herkommen“ (bei der Polizei).
Während der angeblichen Vergewaltigung sei sie bewusstlos gewesen, „doch als ich wach wurde, hatten wir beide unsere Hosen aus“, erklärte die Zeugin vor Gericht. Bei der Polizei hatte sie hingegen berichtet: „Als ich wach wurde, war ich angezogen. Nur mein Gürtel war auf.“
Vor Gericht: „Er wollte mich zu sich nach Hause mitnehmen, bis die Wunden verheilt sind.“ Bei der Polizei: „...ins Krankenhaus bringen.“
Bei der Polizei: „Er hat mich dann im Hausflur geschlagen.“ Gestern: „Er hat mich im Hausflur geküsst.“ Richter Teich brachte es auf den Punkt: „Was Sie uns heute erzählen, ist eine ganz andere Geschichte.“