Breckerfeld. .
Eines Sonntagmorgens saß er einfach da. Er war gekommen, obwohl er niemanden kannte. Er war da, obwohl er kein einziges Wort verstand. Aber er mochte die Atmosphäre. Er blickte auf den Altar und auf die Kerzen, er lauschte den Worten und der Musik. Und wenn die anderen in der Evangelischen St.-Jakobus-Kirche Gott anriefen, dann faltete auch er seine großen Hände.
Breno Ngechou, der Christ aus dem Kongo, betete. Er betete für seine Schwester und für seine Mutter, die jetzt bei Gott sind, weil Soldaten sie getötet haben. Er betete für seinen Vater, den die Militärs gesucht und gejagt hatten und zu dem er jeden Kontakt verloren hat.
Der Hölle entkommen
Und dennoch dankt er Gott: Dafür, dass er selbst der Hölle im Kongo entkommen konnte, dass er die abenteuerliche Reise in einem Boot über das Mittelmeer bis Italien überlebt hat, und dafür, dass er ein neues, ein anderes Leben in Breckerfeld führen kann.
Breno Ngechou, 36 Jahre alt, liebt dieses neue Leben. Er liebt seine neue Heimat, in der er sich in der Asylbewerberunterkunft ein Zimmer mit einem Mitbewohner teilt, und er liebt seine Arbeit, die seinem Tag Struktur gibt: Breno Ngechou hilft den Hausmeistern im Altenzentrum St. Jakobus. Er harkt Laub, er jätet Unkraut und er packt überall an, wo Hilfe gebraucht wird.
Er will etwas zurückgeben dafür, dass er ein bisschen Geld und eine Unterkunft von der Stadt bekommt. Deshalb hat er den 1,50-Euro-Job angenommen, als sich diese Chance bot. „Ich arbeite gerne hier“, sagt er, „das macht mir Spaß.“ Breno Ngechou arbeitet und er lernt Deutsch. Dreimal in der Woche fährt er mit dem Bus nach Ennepetal, wo die Diakonie im Rahmen des Projektes „Xenos Zukunftsperspektiven“ Kurse für Flüchtlinge anbietet, die keinen Anspruch auf Sprach- und Integrationsangebote haben.
Und das ist nur eine der Hürden, mit denen Breno Ngechou leben muss. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass der deutsche Staat nicht will, dass sich Flüchtlinge integrieren, so lange ihr Status nicht geklärt ist“, sagt Susann Großkopf von der Zuwanderungsberatung der Diakonie, „und das kann unter Umständen Jahre dauern.“
Ein Zustand der Ungewissheit – so wie bei Breno Ngechou. Momentan hat er eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis. Weil er über Italien nach Europa gekommen ist, droht ihm die Abschiebung in das Land, in dem er 18 Monate gelebt hat. Dass er eine Arbeitsstelle gefunden hat und Deutsch lernt, spielt da keinerlei Rolle. „Es gibt Ausnahmefälle, in denen Flüchtlinge auch bei uns einen Antrag auf Asyl stellen können“, erklärt Susann Großkopf, „aber das muss gut begründet werden.“ Schwerwiegende gesundheitliche Probleme durch eine Traumatisierung können Argumente sein.
Was Breno Ngechou und seiner Familie im Kongo widerfahren ist, wie sehr ihn das belastet – das kann man nur erahnen. In deutsche Worte fassen kann er das, was er erlebt und empfunden hat, nur schwer.
René Röspel eingeschaltet
In Breckerfeld haben die Kirchengemeinden Unterschriften für den jungen Mann aus dem Kongo gesammelt. Auch ein Schreiben an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ist unterwegs. Der Bundestagsabgeordnete René Röspel (SPD) ist eingeschaltet. Ob all das irgendwann eine Abschiebung von Breno nach Italien verhindern kann, ist völlig offen.
Vielleicht hilft ein Gebet. Breno Ngechou jedenfalls wird wie jeden Sonntag auch morgen wieder in die Kirche gehen. Weil er Gott danken will. Und auch, weil dort um 10 Uhr ein ganz besonderer Gottesdienst gefeiert wird. „Flüchtlinge mitten unter uns“ ist dieser Diakonie-Gottesdienst überschrieben. Es geht um Menschen wie ihn, wie Breno Ngechou.