Es spielt am Ende keine Rolle, ob Fraktionswechsler geködert werden, oder tatsächlich aus freien Stücken ihre politischen Überzeugungen wie die Socken wechseln. Im Ergebnis verraten Mandatsträger, die direkt nach einer Wahl in ein anderes Lager desertieren als sie den Menschen noch auf den Plakaten vorgaukelten, nicht nur ihre eigene politische Seele, sondern vor allem den wahren politischen Souverän – nämlich den Wahlbürger. Dass dies die Stadtverwaltung jetzt formal legitimiert, vermag die gefühlte Wut der Enttäuschten kaum zu lindern.
Es mag immer gute Gründe dafür geben, dass sich politische Überzeugungen verändern – mal geht’s um Inhaltliches, oft um Menschelndes. Doch in den jüngsten Fällen wurde der politische Wille der Hagener bereits vor der konstituierenden Sitzung unflätig mit Füßen getreten. Der Bürger darf erwarten, dass Wahlresultate von Politikern nicht bloß als unverbindliche Vorschläge empfunden werden.
Die Rechenschaftspflicht eines Volksvertreters gegenüber seinen Wählern endet nicht mit Schließung der Wahllokale. Sie ist vielmehr eine permanente Bringschuld und damit eine Frage des Respekts. Die Glaubwürdigkeit eines Ex-SPDlers, der urplötzlich sein liberales Herz entdeckt, sowie eines Ex-Hagen-Aktiv-Mitgliedes, das sich über Nacht vom AfD-Gedankengut fasziniert fühlt und dort auch gleich seiner Gattin einen Job verschafft, darf zumindest bezweifelt werden. Diese Interpretation des freien Mandats am Rande der Beliebigkeit wirkt am Ende arg befremdlich.