Hagen. . Jede dritte Bahnbrücke ist über 100 Jahre alt, allein in NRW sind 262 abrissreif. Doch die Sicherheit des Zugverkehrs ist nicht gefährdet, beteuert die Deutsche Bahn. Wegen des Sanierungsstaus drohen Langsamfahrstellen und Streckensperrungen.

Zum Beispiel die Volmetalbahn. Allein auf der Strecke zwischen Hagen und Lüdenscheid gibt es zehn abrissreife Brücken. Sie werden von der Deutschen Bahn in die Kategorie 4 einsortiert, heißt: gravierende Schäden, Sanierung wäre zu teuer. Anzuschauen auf einer Deutschlandkarte des Portals zeit.de.

Die Fahrt auf dieser Strecke ist dennoch sicher, beruhigt die Deutsche Bahn. In Nordrhein-Westfalen gibt es fast 4400 Brücken, 262 davon fallen unter die Kategorie 4, weitere 1650 unter die Kategorie 3 (umfangreiche Schäden, Instandsetzung noch möglich). Aber, sagt die Deutsche Bahn: „Für alle Kategorien gilt, dass die Brücken befahrbar sind und die Sicherheit nicht beeinträchtigt ist.“ Was Experten der Bahn bestätigen.

Fahrgastverband fürchtet größere Unterbrechungen

In den nächsten zehn Jahren, bis 2024, sollen 240 der Kategorie-4-Brücken in NRW erneuert werden, der Rest in den folgenden Jahren, erläutert Bahnsprecherin Julia Stötzel. Konkrete Pläne für die Volmetalbahn kann sie nicht nennen, auch nicht, ob eine Streckensperrung notwendig werden könnte, wie beim Viadukt in Willingen, das 1999 wegen Bauwerksmängeln gesperrt wurde und erst 2003 wieder befahren werden durfte.

Nicht gleich sperren

Eine beschädigte Brücke muss nicht gleich gesperrt werden. Entscheidend ist die Belastung. So dürfen manche Brücken von leichten S-Bahnen befahren werden, nicht aber von schweren Güterzügen. Auch eine geringere Geschwindigkeit reduziert die Belastung einer Brücke. Die denkmalgeschützte Müngstener Brücke bei Solingen etwa durfte zeitweise nur mit Tempo 10 befahren werden.

Längere Unterbrechungen befürchtet auch Volker Ebbers. „Wie man so viele Brücken reparieren will, ohne den betrieblichen Ablauf zu stören, ist mir ein Rätsel“, sagt der NRW-Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn. Die Schäden seien extrem groß. Er verweist auf die Sanierung der Müngstener Brücke; die ist seit fast anderthalb Jahren außer Betrieb, erst im Dezember sollen wieder Züge fahren.

Hönnetalbahn bedroht

Nicht jede Sanierung ist allerdings so aufwendig. „Manchmal reicht der Austausch eines Fertigbauteils, das geht an einem Wochenende“, sagt die Bahnsprecherin. Und Brücke ist nicht gleich Brücke: Unter den 240 Brücken, die demnächst erneuert werden sollen, findet sich etwa 25 „ohne Verkehrslast“, wie die Bahnsprecherin sagt. Also Signalbrücken oder Gleisquerungen

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Sicher ist: Viele der Brücken, ob groß oder klein, sind in die Jahre gekommen, Volmetal- und Obere Ruhrtalbahn etwa wurden vor 140 Jahren errichtet. In der ausgehenden Kaiserzeit gab es dann einen regelrechten Bauboom bei der Bahn. Ein gutes Drittel der über 25.000 Brücken in Deutschland stammt aus dieser Zeit, ist somit gut 100 Jahre alt und älter – womit für viele das Haltbarkeitsdatum überschritten wäre.

Knackpunkt ist das Geld. Ebbers fordert, die Bahn müsse mehr Eigenmittel einsetzen, sein Verband wie auch die Landespolitik sehen Nordrhein-Westfalen zudem im Ländervergleich benachteiligt bei der Verteilung der Bahn-Investitionen. Der Sanierungsstau hat Folgen: So manche marode Brücke darf nur mit reduzierter Geschwindigkeit befahren werden.

Komplette Streckenschließungen aufgrund zu teurer Reparaturen fürchtet Pro-Bahn-Mann Ebbers in NRW übrigens nicht. Auch ein Stundentakt, wie er zwischen Dortmund und Lüdenscheid gefahren werde, lohne sich für die Bahn, zudem stehe auf dieser Strecke der Netzschluss nach Marienheide und Köln an. „Da mache ich mir gar keine Sorgen.“ Überhaupt stünden die Kommunen und Gebietskörperschaften in NRW hinter der Schiene. Kritisch könnte es vielleicht für den südlichen Abschnitt der Hönnetalbahn von Menden nach Neuenrade werden „da ist die Nachfrage schon sehr gering“, sagt Ebbers. Einzelnen Güterzugstrecken hingegen könnte das Aus drohen.