Hohenlimburg. .

Ein Raum im heimischen Schloss informiert seit April über die Hohenlimburger Industriegeschichte, viele der Exponate stammen aus der Stoffdruckerei Göcke & Sohn. In speziellen Führungen, so am 14. September, werden Besucher über die Geschichte des einstigen Vorzeigebetriebs informiert. Eine sicherlich interessante Veranstaltung – an der Heinz Kraft jedoch nicht teilnehmen muss. Er kennt die Historie der Stoffdruckerei aus dem Effeff, war er doch 30 Jahre lang in führender Position bei Göcke tätig und zudem 1972 für die Abwicklung des Konkurses mitverantwortlich.

Bewaffnet zur Bank

Die Tätigkeit als Finanzbuchhalter mit Bankvollmacht hält offenbar jung: Seine 92 Jahre sieht man Kraft nicht an, und auch sein Gedächtnis hat ihn nicht im Stich gelassen. „1940 fing ich bei Göcke in der Kalkulation an“, erinnert sich Kraft – und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Der höchste Scheck, den ich dann zu späteren Glanzzeiten in Händen hielt, war über 1 Million Mark ausgestellt.“ Als Verwalter der Hauptkasse holte er, begleitet vom bewaffneten Werksschutz, zudem die Gehälter von der Bank ab. Das waren gern mal 50 000 Mark. Damals noch in bar, versteht sich.

Obwohl er mehrere Jahre an der Front und später – in amerikanischer Gefangenschaft – als Baumwollpflücker in Mexiko verbrachte, kennt er die Geschichte seines Arbeitgebers während des Krieges ebenfalls: „Die Firma wurde nicht zerbombt und stellte unter anderem Tarnstoffe fürs Militär her.“

Bereits 1946 kehrte Kraft in seine Heimat zurück, fing wieder bei Göcke an und erlebte so die Währungsreform im Jahr 1948 hautnah mit: „Ab da ging es bergauf.“ Das Wirtschaftswunder prägte nämlich auch dieses Gewerbe ganz entscheidend: Überall eröffneten Kaufhäuser wie Hertie oder Karstadt und orderten vor allem Dekorationsstoffe. Die deutsche Frau der frühen 50er-Jahre nähte eben gern und viel.

Doch nicht nur einheimische, sondern Unternehmen aus der ganzen Welt wollten Ware aus Hohenlimburg. Eine besonders rührige Vertreterin für Stoffe hatte ihren Sitz in Belgien – und zahlte anfangs noch mit harten Dollars. „Der Betriebsrat erhielt ebenfalls etwas davon und konnte in Belgien einkaufen: Öl, Apfelsinen oder Schokolade. All das gab es in Deutschland ja kaum“, erinnert sich Kraft.

Sozial eingestellter Betrieb

Da der Kongo seinerzeit noch belgische Kolonie war, florierte sogar der Handel mit dem zentralafrikanischen Staat. Selbst Häuptlinge trugen bunte Stoffe von der Lenne; einige davon sind heute im Ausstellungsraum des Schlosses zu sehen.

Der Aufschwung wirkte sich außerdem auf die Firmengröße aus: In den 50er-Jahren arbeiteten 1150 Menschen bei Göcke & Sohn, einer laut Kraft damals sehr sozial eingestellten Firma: „Es gab Weihnachtsgeld und eine Weihnachtsfeier, bei der Musiker spielten. Wer hatte das denn sonst?“

In den späten 60er-Jahren ging es allerdings langsam bergab – der 92-Jährige kennt den Grund: „Es wurde viel weniger Meterware verkauft, weil die Frauen nicht mehr nähten, sondern arbeiten gingen.“ Am 17. Januar 1972 meldete einer der größten Arbeitgeber Hohenlimburgs schließlich Konkurs an. Kraft blieb noch eine Weile, half bei der Abwicklung mit und fing wenig später bei einer Hagener Firma neu an. Denn obwohl es für Göcke & Sohn bittere Zeiten waren, besaßen die 1970er-Jahre auch ihr Gutes: „Fast alle Kollegen haben wieder eine Anstellung gefunden.“