Hagen. Die Horten-Waben, ein Relikt der Hagener Innenstadt vergangener Tage, stammen nicht von Architekt Egon Eiermann. Das erklärt das Egon-Eiermann-Archiv in Karlsruhe. Weil zudem die Denkmalbehörde in Hagen die Vorhangfassade als nicht schützenswert erachtet, steht dem Abriss nichts im Wege.
Egon Eiermann hat das vierteilige Bauensemble zum Wiederaufbau um die Berliner Gedächtniskirche geschaffen. Die Deutsche Botschaft in Washington ist von ihm. Außerdem etliche wichtige Verwaltungsgebäude in ganz Deutschland und der damals für weltweites Aufsehen sorgende deutsche Pavillon der Weltausstellung in Brüssel 1958. Egon Eiermann ist zweifellos einer der bedeutendsten deutschen Architekten der Nachkriegszeit. Eines aber ist jetzt klar: Für etliche sogenannter Horten-Kacheln zeichnet er nicht verantwortlich. Auch nicht in Hagen. Das sagt das Egon-Eiermann-Archiv in Karlsruhe.
Abschied nach 45 Jahren
Noch hängt sie dort und ist eigentlich noch das einzige Relikt, das an die Hagener Innenstadt früherer Jahre erinnert: die alte Horten-Fassade am Friedrich-Ebert-Platz. Sie wird weichen müssen für die Umgestaltung der Volme-Galerie. Im Oktober werden die Bauarbeiten beginnen. Die äußere Erscheinung der Galerie wird sich verändern. Es wird der Abschied der alten Horten-Waben – 45 Jahre nachdem das Warenhaus in Hagen errichtet wurde.
In Hagen wurden die alten Waben, die ein stilisiertes „H“ für Horten andeuten, jahrzehntelang mit dem Namen Egon Eiermann in Verbindung gebracht. Die Vorhangfassade, mit der Horten beim Bau seiner Häuser in den 60er- und 70er-Jahren die Architektur einer neuen Kaufhausgeneration mitprägte, sollte auch in Hagen nach seiner Idee angebracht worden sein. „Das stimmt aber nicht“, sagt Kunsthistorikerin und Verlegerin Petra Holtmann, die lange Zeit mit der Idee spielte, dass man die alten Waben veräußern könne und ihnen und dem Werk Eiermanns damit besondere architekturhistorische Wertschätzung zuteil werden lasse.
Diese Idee hat sie nun verworfen. „Bis auf zwei Kaufhäuser in Stuttgart und in Heidelberg stammen keine Außenfassaden alter Horten-Häuser von Egon Eiermann“, sagt Holtmann. Das Karlsruher Institut für Technologie, in dem das südwestdeutsche Archiv für Architektur und Ingenieurbau und auch das Egon-Eiermann-Archiv angesiedelt sind, hat Holtmann das Ergebnis ihrer eigenen Recherchen bestätigt: Die Hagener Horten-Kacheln stammen nicht von Egon Eiermann.
Bauabteilung wählte Kacheln aus
„Die Bauabteilung von Horten hat die Kacheln für das Hagener Kaufhaus damals ausgewählt und sich dabei an die vorherigen Entwürfe angelehnt.“ Selbst Eiermann hat sich bei seinen Kacheln von anderen Architekten und dem amerikanischen Kaufhausbau der damaligen Zeit inspirieren lassen und darf vor diesem Hintergrund wohl auch nicht als Urheber der charakteristischen „Flimmer-Fassade“ genannt werden.
In Hamm und Schwäbisch Gmünd haben die Erkenntnisse des Eiermann-Archivs allerdings niemanden interessiert. Die Kacheln der alten Horten-Häuser wurden hier vor drei Jahren verkauft. Für 24,50 Euro das Stück. Hunderte Interessenten schlugen zu. „Die Kacheln stammten dort auch nicht von Eiermann, wurden aber als sein Entwurf verkauft.“ Im Gegensatz zu den verkauften Varianten, bestehen die Hagener Kacheln aus Keramik, nicht aus Aluminium. Sie sind in den Beton eingefasst und könnten bei der Entnahme vermutlich zerspringen.
Warenhaus nahm wenig Rücksicht auf baulichen Kontext
Wahrscheinlich ist das Architekturbüro Hentrich-Petschnigg damals für die Kacheln an der Hagener Horten-Fassade verantwortlich gewesen. Architekt Adam Wiehl, der in Hagen auch das SIHK-Gebäude am Volkspark entwarf, hatte damals die Bauleitung. In Hagen wurden 50 mal 50 Zentimeter große und rund 15 bis 20 Zentimeter tiefe Kacheln angebracht. Die darin befindlichen Nischen lockten in den Anfangsjahren Tauben an, die ihren Kot dort hinterließen, weswegen später Netze darüber gespannt wurden.
„Horten hat damals wenig Rücksicht auf den städtebaulichen Kontext in vielen Städten genommen. Das hat oft für Streitigkeiten gesorgt“, erklärt Holtmann. Die Warenhaus-Kette verzichtete damals auf großflächige Fenster, um im Inneren mehr Platz für Waren-Stellfläche zu schaffen. Eingekauft wurde in einer Atmosphäre des künstlichen Lichts. Holtmann: „Es war ein völlig neues Einkaufserlebnis.“
Was heißt das jetzt? Kein Eiermann, also ab in den Müll? „So sollte das nicht verstanden werden“, findet Holtmann, „auch wenn es keine Eiermann-Waben sind, so handelt es sich doch um Architektur-Geschichte.“
Ina Hanemann, Leiterin der unteren Denkmalbehörde in Hagen, ist – genau wie das Fachamt in Münster – nach einer Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die alte Fassade nicht schützenswert ist. „Die Fassade ist nur noch ein Rest von dem, was Horten in Hagen einmal war. Sie wurde außerdem mehrmals verändert, was den Denkmalwert schmälert. Vor diesem Hintergrund ist die Fassade nicht schützenswert“, so Hanemann. Die Fassade kann im Zuge der Umbaumaßnahmen demnach ohne Rücksicht auf Denkmalschutz abgerissen werden.