Hagen. Mehr als die Hälfte der Hagener sind Frauen. Davon ist nichts zu spüren, wenn man auf den Frauenanteil in den politischen Gremien schaut. Vor allem in den Führungspositionen sind die Frauen generell stark unterrepräsentiert. In der Verwaltung gilt die Regel: Je höher das Amt, desto weniger Frauen.

Birgit Buchholz hat Recht behalten. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) hatte Anfang des Jahres prophezeit, dass die Kandidatenliste der SPD für die Ratswahl zwar der parteiinternen Frauenquote genüge. Am Ende werde es nach der Wahl aber wohl weniger SPD-Ratsfrauen geben, weil viele Männer als Direktkandidaten in den aussichtsreichen Wahlkreisen kandidierten. Und tatsächlich: Der Anteil der SPD-Frauen im Rat ist massiv gesunken.

Das spiegelt allerdings nur ein generelles Problem in Hagens Politik und Verwaltung wider: In der Politik sind die Frauen generell unterrepräsentiert, von Führungsposten ganz zu schweigen. Eine Frau als Bezirksbürgermeister? In ganz Hagen Fehlanzeige. Die Quote bei den Fraktionsvorsitzenden ist nur gestiegen, weil die Grünen mit Jochen Riechel und Nicole Pfefferer eine Doppelspitze haben. Ansonsten nur Männer auf den mächtigen Fraktionschefs-Posten. Und in der Verwaltung gilt die Regel: Je höher das Amt desto weniger Frauen. Selbst bei den Fachbereichs- und Amtsleitungen liegt der Frauenanteil unter 20 Prozent.

„Thema für gesamte Gesellschaft“

Für Dr. Elke Wiechmann, Politikwissenschaftlerin an der Fernuni Hagen, ist das keine neue Erkenntnis. Sie arbeitet an der regelmäßig erscheinenenden Vergleichsstudie der Heinrich-Böll-Stiftung zum Frauenanteil in Politik und Verwaltung der deutschen Großstädte. Ihr ernüchterndes Fazit: „Hagen lag da schon immer schlecht.“ Platz 67 von 79 belegte die Volme­stadt bei der Studie im letzten Jahr. „Bei der nächsten wird Hagen wohl noch schlechter liegen.“

Anna Vierhaus, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hagen, kann auch wenig Optimismus verbreiten, dass sich der Anteil der Frauen in Führungspositionen bei der Stadtverwaltung schnell erhöhen wird:. Man wisse ja schon jetzt, welche Positionen in den kommenden Jahren frei werden. Sehr viel Bewegung gebe es da nicht. Und zudem: „Wir schmoren ja ein wenig im eigenen Saft. Durch den generellen Einstellungsstopp haben auch qualifizierte Frauen von außen nur im Ausnahmefall ein Chance.“

Dass mit Margarita Kaufmann als Beigeordnete für Schule, Bildung, Jugend, Sport und Umwelt nun wieder eine Frau im Verwaltungsvorstand vertreten ist, wertet Anna Vierhaus sehr positiv. Und auch die Wissenschaftlerin Wiechmann kann nur zustimmen: „Wir haben das Beispiel Frankfurt. Hier gab es jahrelang eine Oberbürgermeisterin. Da ist ein günstiges Klima entstanden, in dem es ganz selbstverständlich war, dass Frauen eine führende Rolle in Politik und Verwaltung spielen.“

Jetzt sofort das Thema angehen

Nur kurz zur Erinnerung: Wir befinden uns nicht in einer Kleinstgemeinde im Sauerland, sondern in der Großstadt Hagen. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen. Da greift die oftmals gehörte Ausrede nicht, dass man ja gerne Frauen aufstellen würde, diese aber nicht wollten. Unter mehr als 90 000 Frauen in Hagen soll es nicht genug qualifizierte und interessierte Kandidatinnen geben? Kaum zu glauben. Nein, in der Politik müssen sich die eingefahrenen Rituale ändern. Nicht nur Beruf und Familie müssen vereinbar sein, sondern auch Politik und Familie. Solche Sätzen werden schnell unterschrieben, versehen mit dem Hinweis, dass man jetzt aber wirklich Frauen fördern müsse. Aber wird das tatsächlich jetzt (!) und nicht erst irgendwann geschehen? Unsere Zeitung wird künftig jedes Jahr mit der Gleichstellungsbeauftragten dieses Thema aufgreifen und in ­Erinnerung rufen. Michael Koch

Nun hat Hagen aber gerade einen neuen Oberbürgermeister und einen neuen Rat gewählt – und zwar für sechs Jahre. Was ist nun zu tun, damit es in Zukunft besser wird? Für die Politikwissenschaftlerin eindeutig: „Das Thema darf nicht nur eines der Frauen sein, sondern eines der gesamten Gesellschaft. Auch in den Parteien darf man das nicht als Aufgabe der Frauengruppen sehen.“ Mit Anna Vierhaus ist sie sich einig: Auch die Umstände für politisches Engagement müssten verändert werden: Rituale wie ewig lange Sitzungen seien für junge Frauen, aber nicht nur für sie, unattraktiv. und oft kaum vereinbar mit Beruf und Familie. Auch Verwaltung müsste mehr Bereitschaft zeigen, Führungsposten auch in Teilzeit oder mit reduzierter Stundenzahl zu ermöglichen. Auch Wiechmann mahnt deutlich: „Es muss sofort damit begonnen werden, Frauen zu fördern. Wer dies kurz vor Wahlen tun will, kommt zu spät.“