Frage: Jetzt liegen sechs politische Jahre ohne Wahlen vor uns. Wo sehen Sie die wesentlichen Chancen und Herausforderungen?

Jochen Weber: Wir müssen die Finanzen in den Griff kriegen. Das geht nur, indem man Verwaltung erneut auf den Prüfstand stellt. Und zwar nicht die Bürgerdienste, sondern die interne Verwaltung. Und wenn der Rat in Zukunft noch Kommunalpolitik mitbestimmen will, muss man auch den WBH auf den Prüfstand stellen – entweder ihn zurückholen ins Rathaus oder ihn transparenter machen. Und zwar nicht unter Beteiligung von Verwaltungs- und Aufsichtsräten, sondern des gesamten Rates. Außerdem müssen wir Bürgerengagement nicht nur einmal im Jahr loben, sondern ernsthaft unterstützen. Die Wege sind nicht Grund-, Gewerbe- und Hundesteuererhöhungen, sondern Kostenminimierung. Und das gilt auch für unsere Hochkultur – das Theater. Ich glaube, dass mit weniger Geld auch gutes Theater zu machen ist. Und dem Rat wünsche ich die Kraft, dass er das schafft. Und dazu sollten die großen Fraktionen versuchen, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, ohne die Kleinen außen vor zu lassen – außer die Populisten mit den Unterschriftenlisten.

Jürgen Glaeser: Es tut mir ja eigentlich leid, dass ich aufgrund meines Alters nicht mehr als Bezirksbürgermeister Mitte kandidiert habe. Denn es gibt noch so viel zu tun. Wir haben den Kernbereich der Stadt in einer guten Verfassung, es fehlt aber noch die Ausstrahlung in die Außenbezirke. Ebenso ärgert es mich, dass wir die beiden Seen vor der Tür nie in den Griff bekommen haben. Das hat als Freizeitrevier ein unglaubliches Potenzial. Das ist nach dem Krieg und bis heute vernachlässigt worden. Wir müssen auf private Investoren setzen, deshalb habe ich ja auch die GEDO für die Rathaus-Galerie hierher geholt. Sonst gäbe es die Schmuddelecke rund um das alte Pressehaus heute noch. Das gilt auch für den Cargobeamer, der ebenfalls Chancen eröffnet, die Hagen nutzen sollte. Da hätte ich mich noch gerne engagiert.

Victor Dücker: Zunächst einmal muss für mich die Aufgabenkritik im Vordergrund stehen, damit wir die finanzielle Situation in Hagen in den Griff bekommen. Dazu gehört auch, dass wir eine klare Konzeption in der Stadtentwicklung haben, auch für die Nebenzentren. Wir müssen dazu intensiv mit der Region zusammenarbeiten. Nicht als Oberzentrum, sondern als Teil und Dienstleister der Region. Wir haben uns in Hagen als die Mächtigen der Region gesehen und dadurch die „Bergvölker“ verärgert. Dadurch wurden Möglichkeiten vertan, beispielsweise mit Wetter und Herdecke das Ruhrtal zu entwickeln. Darin liegt auch eine Chance für den neuen Oberbürgermeister, der als Geschäftsführer der Agentur Mark beste Verbindungen in die Region gepflegt hat. Wir müssen zudem durch die Fertigstellung der Bahnhofshinterfahrung frühzeitig dort die Gewerbeflächen entwickeln. Und zwar nicht nur für Büros, sondern auch für produzierendes Gewerbe.

Hildegund Kingreen: Finanzen sind wichtig, aber ich möchte die Zukunft der Stadt nicht immer dran aufhängen. Man kann eine Stadt nicht am Leben erhalten ohne Menschen, die da arbeiten. Das darf nicht der Anfang der Diskussion sein, sondern es müssen klare Ziele benannt werden. Stadtteilinteressen sind – mit Blick auf Garenfeld und Cargobeamer -- sicherlich wichtig und müssen auf jeden Fall beachtet werden. Aber ein stetes „Bei uns nicht!“ darf nicht die Politik diktieren. Zu sagen, dass auf einer Schiene nie wieder eine Bahn fahren darf, finde ich absurd. Und in diesem Zuge den Freizeitbereich zu verschönern, lohnt sich – der ist nämlich nicht schön. Unsere Stadt muss bewohnbar bleiben. Vor allem – besonders mit Blick auf den Feinstaub -- einem neuen Verkehrskonzept oder mehr Durchgrünung. Wir müssen definieren, wohin wir wollen.