Hagen. . Das Online-Netzwerk hat zu Forschungszwecken die Seiten seiner Nutzer manipuliert, ohne diese darüber zu informieren. Darüber sind nicht nur die Mitglieder des sozialen Netzwerks verärgert, sondern auch Wissenschaftler wie Ulrike Baumöl, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Hagener Fernuni.

Das gefällt offenbar ganz und gar nicht: Um mehr darüber zu erfahren, wie die eigenen Nutzer ticken, hat Facebook deren Seiten manipuliert – und sich damit nicht nur deren Verärgerung eingehandelt. Denn im Rahmen eines Psychologie-Experiments hat Facebook die Neuigkeiten-Seiten verändert. Auf diesen Seiten erfahren die Nutzer, was die Bekannten tun, was die Freunde für mitteilenswert halten und wie es ihnen geht. Facebook hat diese Seiten bei 310.000 Nutzern gefiltert – ohne, dass diese etwas davon ahnten. Eine Gruppe von Nutzern sah vor allem die positiven Einträge ihrer Freunde, die anderen Nutzer überwiegend negative Nachrichten.

Das Experiment, das erst jetzt bekannt geworden ist, fand bereits im Jahr 2012 statt. Insgesamt waren die Newsfeeds von 690.000 englischsprachigen Nutzern manipuliert worden. Mit dem Psycho-Experiment wollte Facebook herausfinden, wie sich Gefühle in sozialen Netzwerken ausbreiten.

Facebook hat eine Grenze überschritten

Und bekommt nun vor allem die negativen Emotionen nicht nur vieler Nutzer zu spüren. „Da ist eine Grenze überschritten worden“, lautet das Urteil von Ulrike Baumöl, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Fernuniversität Hagen, die unter anderem darüber forscht, wie Soziale Netzwerke Organisationen und Unternehmen verändern.

„Transparenz“ lautet ihr zufolge eines der obersten Gebot der Forschung. Das sei nicht nur in Deutschland so, sondern auch in den USA. Dazu gehöre, alle diejenigen, die von einer Studie betroffen sind, vorher genau darüber zu informieren, welche Theorie, welches Modell man mit welcher Methode überprüfen will, erklärt sie. Dahinter steckt ein simples ethisches Prinzip: „Man muss mit den Studienteilnehmern so umgehen, wie man es sich selbst wünscht, falls man einmal Teilnehmer einer Untersuchung wird.“

Nur mit Einverständnis

Ein Vorgehen, das man durchaus auch im Facebook-Fall hätte anwenden können, ist Professor Baumöl überzeugt. Den Einwand, dass womöglich das Ergebnis beeinflusst worden wäre, wenn die Nutzer von dem Experiment gewusst hätten, lässt die 47-Jährige nicht gelten.

Selbst bei Placebo-Studien in der Medizin bekämen die Probanden vorher ein Minimum an Informationen, würden um ihr Einverständnis gebeten, ohne dass das Resultat dadurch verfälscht werde. „Das wäre das Geringste, was Facebook auch hätte tun können“, so Baumöl. Facebook hätte eine Stichprobe seiner Nutzer befragen müssen, ob sie zustimmen, an einer Untersuchung teilzunehmen, zu deren Zweck die Neuigkeiten-Seite verändert werden müsse, so Baumöl. Sie verteufelt Facebook keineswegs, nutzt das Netzwerk selbst, um Kontakte zu pflegen – aber mit Zurückhaltung.

Keine Überraschung

Herausgefunden hat Facebook mit dem Experiment übrigens nichts allzu Überraschendes. Wer mehr positive Postings auf seiner Neuigkeiten-Seite las, der schrieb auch selbst eher Positives. Und wer Negatives las, der stellte schlechte Nachrichten ins Netz. Gefühle sind demzufolge in sozialen Netzwerken ansteckend – genau wie im richtigen Leben. „Das zeigt“, erklärt Professor Baumöl, „wie sich Massen über soziale Netzwerke zu einem bestimmten Zweck manipulieren lassen, weil sich Stimmungen so verstärken.“