Südwestfalen. Der Mindestlohn für alle kommt ab 2017. Während sich Großkonzerne gelassen zeigen, macht Unternehmen in der Region Südwestfalen die Ungewissheit zu schaffen. In manchen hiesigen Betrieben stehen Arbeits- und Praktikumsplätze auf der Kippe.

Der Mindestlohn für alle kommt ab 2017 - darauf stellen sich die Unternehmen ein. Es gehe nur noch darum, bis dahin Übergangsregelungen für bestimmte Branchen zu finden, hat der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer unmissverständlich festgelegt - „für Zeitungsausträger, für die Gastronomie und vielleicht auch für Praktikanten“. Änderungen sind noch möglich.

Während sich die Großkonzerne gelassen zeigen und wenig Änderung signalisieren, macht die Ungewissheit Unternehmen in der Region Südwestfalen zu schaffen. In erster Linie solchen, denen es wirtschaftlich zurzeit nicht besonders gut geht und die an Arbeitsplatzabbau denken.

"Grobe Verletzung der Tarifautonomie"

Der wegen der rückläufigen Bestellungen der Stahlproduzenten an akutem Auftragsmangel leidende weltweit tätige Maschinen- und Anlagenbauer SMS mit noch 2300 Arbeitsplätzen in Hilchenbach stellt als Folge des Mindestlohns erstmals sein freiwilliges Angebot für Praktikanten in Frage, andere werden folgen.

Der geplante ­gesetzliche Mindestlohn gefährde Arbeitsplätze und die ­Tarifautonomie, dekretierte in diesen Tagen Heinrich Weiss, Hauptanteilseigner und Vorsitzender des Aufsichtsrats der SMS-Gruppe: „Die Einführung eines ­gesetzlichen Mindestlohns bedeutet eine grobe Verletzung der Tarifautonomie.“

Zu großer Aufwand

Und nicht nur das. Die Regelung stelle, so Weiss, „auch das bisher für junge Menschen bei Ausbildung und Studium sinnvolle und freiwillige Angebot der Unternehmen an Praktikumsplätzen in Frage“. Den Angaben des Unternehmens zufolge nutzen 150 Personen im Jahr in Deutschland dieses SMS-Angebot. Für die 30 freiwilligen Praktika pro Jahr würden die Vergütungen nach der Neuregelung von 250 auf 1400 Euro im Monat ansteigen. Weiss: Dies würde „dazu führen, dass wir freiwillige Praktika nicht mehr anbieten können“.

„Wenn der Aufwand zu groß wird, werden sich die Unternehmen in der Region das mit den Praktika in Zukunft gut überlegen“, ist Andreas Lux überzeugt, Geschäftsführer für Innovation, Umwelt und Internationales bei der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK). Es gelte jetzt säuberlich zwischen den verschiedenen Praktika zu unterscheiden: Schülerpraktika, ­studienbegleitende Praktika oder Praktika nach dem Studium. Vor allem: Freiwillige und verpflichtende Praktika.

Drohender Fachkräftemangel

„20 Plätze im Jahr aus sozialer Verantwortung wird es in vielen Unternehmen nicht mehr geben“, glaubt Lux. Das hänge natürlich auch von deren wirtschaftlicher Situation ab. Lux: „Auf der einen Seite ­Personal entlassen und auf der anderen Praktikanten ins Haus holen - diese Botschaft kann kein ­Unternehmer verkaufen.“ Auch nicht, wenn er - wie in kleineren ­Betrieben üblich - nur drei oder vier Plätze zu vergeben hat. Da ­gelte es künftig, innerhalb einer Budgetplanung Kosten und ­Nutzen genau gegeneinander abzuwägen.

Aber wegen des drohenden Fachkräftemangels ist auch nicht zu erwarten, dass die Unternehmer sich ganz von der Generation Praktikum verabschieden. Lux sieht in diesem Bereich „Auswüchse“, die die Politik nun reflexartig bekämpfe, was auch nicht gut sei. Denn die Studienordnungen vieler technischer und naturwissenschaftlicher Fächer forderten von den Studenten immer mehr Pflicht-Praktika, geisteswissenschaftlich orientierte eher nicht.

Das könnte womöglich zu einer Zweiteilung führen, warnen ­Experten. Es werden nur Pflichtpraktikanten genommen, weil die keinen Mindestlohn bekommen. Der Ball liegt damit auch im Feld der Universitäten und ihrer Fakultäten.