Breckerfeld. .

Es gibt dieses Klischee: Vom Jäger, der mit der Büchse über Felder und durch den Wald zieht und das Wild abknallt, wie es ihm gerade beliebt. Gerd Rafflenbeul und Achim Renzi sind Waidmänner aus Leidenschaft. Und auch sie hatten im Laufe vieler Jahre so manches Reh vor der Flinte. In dieser Jahreszeit aber schießen die beiden Jäger nicht. Im Gegenteil: Sie retten Leben. Sie retten Leben und sie ersparen den Schwächsten in der Natur unvorstellbares Leid und einen qualvollen Tod.

Gras als tödliche Falle

Die Sonne brennt an jenem Tag ohne Unterlass. Und auf der weiten Fläche gibt es keinen Millimeter Schatten. Zumindest nicht für einen Menschen. Anderen bietet das hohe Gras Schutz. Und genau das kann den kleinen Kitzen zum tödlichen Verhängnis werden.

Die Wiesen sind hoch gewachsen in diesem Jahr. Der Winter war mild. Da ist die Natur früh dran. Selbst auf den Breckerfelder Höhen, wo die Temperaturen für gewöhnlich ein paar Grad niedriger sind, als in den Hagener Tälern. Schritt für Schritt stapfen Renzi und Rafflenbeul durch das Gras. Ihre Blicke schweifen über den Boden. Von rechts nach links und von links wieder nach rechts. Die erfahrenen Jäger suchen Kitze. Und sie finden sie.

Schon in den letzten Tagen haben sie das 18 Hektar große Areal in der Nähe von Kuhfeld immer wieder von ihren Hochsitzen beobachtet. „Wir haben ganz genau geschaut, wo auf der Wiese die Ricken stehen“, sagt Achim Renzi. „Wenn man das weiß, hilft das später bei der Suche.“

Wenn der Traktor mit dem Mäher naht, machen sich die Ricken instinktiv aus dem Staub. Sie lassen ihre Kinder zurück. Für Menschen mag das grausam klingen: Aber die Ricken bringen sich zunächst selbst in Sicherheit und flüchten in den nahe gelegenen Wald. Sie denken an sich. Und sichern damit in gewisser Weise auch den Fortbestand ihrer Art.

Die Kitze folgen ihren Müttern nicht. Sie bleiben im hohen Gras liegen. „Wenn sie Gefahr wittern, ducken sie sich nur weg“, sagt Achim Renzi. „Das macht es für die Landwirte um so schwierig, die Kitze von ihren Traktoren aus zu erkennen. Hinzu kommt, dass die Maschinen immer größer und die Mäher immer breiter werden. Es ist nahezu unmöglich, den gesamten Bereich zu überblicken.“

Bauern müssen Jäger informieren

Leben können die Lebensretter aber nur retten, wenn die Landwirte mitspielen. „Die Bauern müssen uns Jägern Bescheid geben, bevor sie mähen“, sagt Renzi, „dann machen das die meisten gern. Aber hier bei uns klappt das ganz hervorragend.“

Stöcke rammen die Jäger dort in den Boden, wo sie die Kitze gefunden haben. Wie in einem Nest liegen sie in der hohen Wiese. Geschützt und versteckt. Mit reichlich Gras packen die Jäger die jungen Tiere. „So ist gesichert, dass sich unser Geruch nicht auf die Kitze überträgt“, sagt Renzi, Leiter des Hegerings Waldbauer, „wenn die Ricke menschlichen Geruch wahrnehmen würde, würde sie ihr Kitz nicht annehmen.“ Allein hätte das junge Tier in der Natur keine Überlebenschance.

So aber trägt Gerd Rafflenbeul das Kitz bis an den Rand des nahen Waldes. „Es fiept zwei bis dreimal und dann kommt seine Mutter sofort angelaufen“, sagt Achim Renzi. Und die beiden Lebensretter haben der Natur ein weiteres Mal auf die Sprünge geholfen.0