Hagen. . Fallböen, auch Downburst genannt, sind starke Abwinde, die meist einem Gewitter vorausgehen, so wie es Pfingsten zu beobachten war. In Hagen erreichten diese volle Sturmstärke (Windstärke 9), weiß Wetterexperte Bastian Rissling zu berichten.

Bastian Rissling (31) schreibt regelmäßig Beiträge über das Hagener Wetter. Im Interview äußert er sich zu dem Unwetter am Montagabend.

Was kennzeichnet ein Wärmegewitter wie am Pfingstmontag?

Bastian Rissling: Wärme- oder auch Hitzegewitter sind ein meteorologisches Phänomen, das meist in den Nachmittags- und Abendstunden auftritt und das fast ausschließlich im Sommerhalbjahr.

Wodurch entsteht ein so extremes Gewitter?

Rissling: Durch thermische Auslösung. Der Boden wird durch die Sonnenstrahlung erhitzt und warme Luft steigt auf. Mit zunehmender Höhe kühlt diese wieder ab und kondensiert. Es bilden sich Wolken. Wenn die Luftmassen zudem sehr feucht sind, wie in den letzten Tagen, wachsen die Wolkentürme hoch in den Himmel. Durch starke Aufwärtsbewegungen in den Wolken entsteht Reibung, was letztlich zum Gewitter führt.

Warum regnet es so stark?

Rissling: Die Gewitterwolken, auch Cumulonimbus genannt, erreichen bis zu elf Kilometer Höhe. Dadurch enthalten sie gigantische Mengen an Wasser. Wenn sich das Gewitter nur langsam verlagert oder sehr groß ist, können in kurzer Zeit enorm hohe Regenmengen zustande kommen. In den großen Höhen ist die Luft zum Teil kälter als minus 60 Grad. Die durch die starken Aufwinde umhergewirbelten Wassertropfen gefrieren und wachsen zu Hagelkörnern heran.

Wie entsteht eine so deutliche sichtbare schwarze Front mit weißem Rand, wie sie über Hagen hinweggezogen ist?

Rissling: Man spricht hier von einer Böenfront, auch Shelf-Cloud genannt. Starke Abwinde in Gewitternähe sind der Grund für die Entstehung. Die Böenfront befindet sich meist nur wenige hundert Meter über dem Boden. Es können Fallböen entstehen.

Was sind denn Fallböen?

Rissling: Fallböen, auch Downburst genannt, sind starke Abwinde, die meist einem Gewitter vorausgehen, so wie es Pfingsten zu beobachten war. In Hagen erreichten diese volle Sturmstärke (Windstärke 9), während im Düsseldorfer Raum sogar Orkanstärke erreicht wurde. Es sind in Deutschland Fälle bekannt, wo Windgeschwindigkeiten von knapp 200 Kilometer pro Stunde registriert wurden.

Ist es in Hagen auch zu Tornados gekommen?

Rissling: Tornadosichtungen oder auch Schäden, die auf ein solches Ereignis hindeuten könnten, sind mir nicht bekannt. Es ist allerdings möglich, dass auch in Hagen Tornados entstehen.

Stimmt es, dass solch heftige Gewitter in den letzten Jahren an Häufigkeit zugenommen haben?

Rissling: Man kann tatsächlich eine Zunahme der Intensität erkennen. Am Beispiel der Wettermessungen an der Sternwarte, die seit 1956 erfolgt, wurden die höchsten Regenmengen erst in den letzten zwei Jahrzehnten verzeichnet.

Gutes Geschäft für Taxifahrer

Die Hagener Feuerwehr verlebte – im Vergleich zu Kollegen aus anderen Städten – einen relativ ruhigen Montagabend. Im Zusammenhang mit dem Unwetter kam es lediglich zu zehn Einsätzen.

Gutes Geld verdienten die Taxifahrer. Weil die Deutsche Bahn alle Zugverbindungen einstellte, ließen sich viele Reisende im Taxi zum Zielort transportieren.

Allein bei Taxi Hagen waren nach Auskunft eines Unternehmenssprechers sämtliche noch im Dienst befindlichen 35 Wagen am Montagabend ausgebucht. Die weiteste Fahrt führte bis nach Rotterdam.

Ist Hagen, im Vergleich zu Städten des Ruhrgebiets, durch seine Tallage vor noch schwereren Gewittern geschützt, weil diese am Ardeygebirge oder Bergischen Land abdriften?

Rissling: Das trifft nur bedingt zu. Entscheidend ist hier die Zugrichtung. Nähern sich Gewitter von Westen oder Nordwesten, kann es vorkommen, dass diese vor den Bergen im Hagener Süden hängenbleiben.Daher lag Hagen auch schon mehrfach direkt im Zentrum eines Gewitters.