Hagen. . Zehn verschiedene Gruppierungen gibt es im neuen Hagener Stadtrat – und mit nicht einmal 33 Prozent ist die SPD die stärkste Partei. Wie soll es unter diesen Bedingungen zu Mehrheiten im Stadtparlament kommen?
Für SPD-Fraktionschef Mark Krippner hat seine Partei nun den Auftrag, eine mögliche Ratsmehrheit zu gestalten: „Wir sind die stärkste Fraktion, wir werden mit allen anderen Fraktionen und Gruppen sprechen – außer mit Pro NRW.“ Jetzt werde man zwar die Hauptkraft auf die OB-Stichwahl richten. Doch man müsse auch zügig miteinander reden, da man sich bis zur konstituierenden Ratssitzung über Grundzüge wie etwa die Ausschussbildung einigen wolle.
FDP nur noch mit zwei Köpfen
Muss man sich nach dem harten Wahlkampf auch menschlich erst wieder annähern für solche Gespräche? Krippner gibt sich gelassen: „Ich persönlich bin nicht nachtragend. Ich mache ja nicht Politik, um der CDU zu gefallen.“
SPD nimmt CDU Direktmandante ab
Am Ende waren es doch zwölf Hagener, die im Wahlbezirk Kabel/Bathey/Garenfeld ihr Kreuzchen bei Peter Jauert (Bürger für Hagen) machten. Und das, obwohl Jauert nach seinem Zerwürfnis mit dem Wählergemeinschaftsvorsitzenden Hans-Otto Marscheider, der es nicht wieder in den Rat schaffte, die Wähler öffentlich darum gebeten hatte, ihn nicht zu wählen. Große Auswirkungen hatte das in seinem Wahlbezirk nicht. Die zwölf Kreuze machten 0,5 % der Stimmen dort aus.
Wo sind all die Wähler hin?
Wo sind die Wähler hin? Bei der Europawahl 2009 wurden 140 585 Wähler in Hagen an die Urne gebeten. Diesmal „nur“ 135 884 Hagener. Die Stadt schrumpft langsam und mit ihr auch das Wählerpotenzial. Trotz weniger Wählern war die Wahlbeteiligung diesmal um 15 Prozent höher als bei der Europawahl im Jahr 2009.
Absolute Mehrheit? Ja, einmal hat der parteilose OB-Kandidat Erik O. Schulz das geschafft – und zwar im Stadtbezirk Hagen-Mitte (51,2 %). SPD-Kandidat Horst Wisotzki gelang das nirgends, auch nicht in seinem Stadtbezirk Haspe (42,2%). Aber wohl nur, weil Mitbewerber Dr. Josef Bücker (Hagen Aktiv) ebenfalls Hasper ist und dort (10,8 %) der Stimmen einheimste. In Haspe erzielte Erik O. Schulz sein niedrigstes Bezirksergebnis mit 39 % der Stimmen.
20 Direktmandate holte die SPD stadtweit in den Wahlkreisen und „klaute“ im Vergleich zur Kommunalwahl 2009 fünf Wahlkreise von der CDU: Altenhagen-West, Oberhagen, Kabel/Bathey/Garenfeld, Hohenlimburg-West und Eilperfeld-Delstern.
Ähnlich sieht es auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Röspel: „Ja klar sind wir gesprächsbereit. Wahlkampf ist Wahlkampf. Jetzt fängt eine neue Wahlperiode an.“ Bei zehn Gruppierungen im Rat sei die Mehrheitsfindung tatsächlich schwierig: „Natürlich kann man für einzelne Fragen Mehrheiten organisieren, aber das kann man sicherlich keine ganze Wahlperiode durchhalten.“ Die CDU-Fraktion strebe zwar keine feste Koalition an, aber Verabredungen „für eine gewissen Kontinuität“.
Das Wahlziel, erneut mit einem zweistelligen Resultat in den Rat einzuziehen, haben die Grünen nach Verlusten von 2,9 Prozent klar verfehlt. „Alle Parteien aus dem Jamaika-Bündnis um Erik O. Schulz haben verloren“, so Fraktionssprecher Jochen Riechel. „Aber bei den kleineren Parteien ist der Schaden ungleich größer“, erinnert er daran, dass die FDP durch ein Vier-Prozent-Minus sogar ihren Fraktionsstatus eingebüßte habe. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im neuen Rat sieht Riechel noch keine klare Linie, wo stabile Allianzen geschmiedet werden könnten. Auch einer großen Koalition zwischen SPD und CDU räumt er nach den Blessuren des Wahlkampfes keine großen Chancen ein. Hier könne die Personalie Schulz helfen, Anknüpfungspunkte zwischen zehn Gruppierungen im Rat zu finden.
Als zweiköpfige Ratsgruppe wollen sich die Liberalen wieder politisch berappeln. „Ich befürchte eine große Koalition“, sorgt sich Noch-Fraktionschef Claus Thielmann, dass das gerade erst gelungene Aufbrechen verkrusteter Strukturen zwischen CDU und SPD schon wieder beendet sein könnte. Auf einen eigenen Kandidaten zu verzichten, sieht Thielmann nicht als Fehler an: „In anderen Gemeinden hat die FDP mit eigenen Kandidaten nicht besser abgeschnitten.“
Hentschel tendiert zu Wisotzki
Linken-Chef Ingo Hentschel wagt aktuell gar keine Prognose, wie es im Rat weitergehen könnte: „Für rot-grüne Konstellationen wird es schwer – da möchte ich aktuell kein Eheberater sein“, setzt er mit seiner Fraktion darauf, in Zukunft je nach Sachfrage politische Allianzen einzugehen. Lediglich mit Pro NRW und der AfD lehnt er eine Zusammenarbeit kategorisch ab. Für die Stichwahl tendiert Hentschel dazu, den Linken-Wählern eine Stimmabgabe zu Gunsten von Horst Wisotzki zu empfehlen.