Hagen. Die Kommunalwahl wird spannend. Eine von der WESTFALENPOST in Auftrag gegebene Umfrage zeigt ein Kopf-Kopf-Rennen im Kampf um das Oberbürgermeister-Amt – mit einem leichten Vorsprung für Jamaika-Kandidat Erik O. Schulz. Bei den Stadtratswahlen liegt allerdings die SPD deutlich vorn.
Es deutet sich ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen um das Oberbürgermeister-Amt an – mit leichtem Vorsprung für den Jamaika-Kandidaten Erik O. Schulz. Die SPD liegt dagegen bei der Stadtratswahl derzeit in der Gunst der Hagener Wähler deutlich vorn. Und über all dem schwebt die Erkenntnis, dass mehr als die Hälfte der Wähler, die auf jeden Fall oder wahrscheinlich zur Wahl gehen wollen, noch völlig unentschlossen sind, wo sie am 25. Mai ihr Kreuzchen machen wollen. Auf Hagens Parteien kommt also noch sehr viel Arbeit in den nächsten Tagen zu. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der repräsentativen Wahlumfrage, die unsere Zeitung im Vorfeld der Kommunalwahlen in Auftrag gegeben hat.
Wohlgemerkt: Wir sagen nicht das Wahlergebnis voraus. Die Trends, die wir mit Hilfe des Wahlforschers Günther Rösch ermittelt haben, basieren auf fast 1000 Telefoninterviews, die rund um Ostern geführt wurden. Rösch: „Es ist eine Momentaufnahme der politischen Stimmung zum Zeitpunkt der Befragung.“ Eine Momentaufnahme allerdings, die dank aktueller Erkenntnisse der Wahlforschung eine hohe Aussagekraft hat. Die Rohdaten der Interviews sind mit Hilfe soziodemografischer Daten der Hagener Bevölkerung von Günther Rösch gewichtet worden, so dass sie repräsentativ sind, also auf die wahlberechtigte Bevölkerung verallgemeinerungsfähig. Und das führt im Detail zu folgenden Trends.
Oberbürgermeister-Wahlen:
Bei den Wahlberechtigten, die auf jeden Fall oder wahrscheinlich zur Wahl gehen werden, liegt der parteilose Kandidat Erik O. Schulz, der von CDU, Grünen und FDP unterstützt wird, vorne. Zum Zeitpunkt der Befragung kam er auf etwa 44 Prozent. Damit liegt er auf den ersten Blick recht klar vor SPD-Kandidat Horst Wisotzki mit gut 40
Prozent. Allerdings weiß Wahlforscher Günther Rösch: „Man muss eine statistische Fehlertoleranz von etwa zwei Prozent berücksichtigen.“ Die kann natürlich in beiden Fällen nach oben oder unten ausfallen. Unterm Strich ist aber eher der Trend abzulesen: Die beiden aussichtsreichen „großen“ Kandidaten liegen wenige Wochen vor der Wahl recht dicht beieinander.
Insgesamt ist also von einem Kopf-an-Kopf-Rennen auszugehen. Von einem, das aber wohl erst in einer Stichwahl am 15. Juni entschieden wird. Denn obwohl beide Kandidaten als stark bewertet werden dürfen, weil sie trotz eines fünfköpfigen Bewerberfelds bei 40 Prozent und mehr liegen, ist eher nicht von der im ersten Wahlgang notwendigen 50-Prozent-Mehrheit auszugehen. Das liegt auch an zwei Kandidaten, die laut unserer Umfrage im relevanten Maß Stimmen auf ihre Person vereinen werden können. Sowohl Dr. Josef Bücker, Kandidat von Hagen Aktiv, als auch Ingo Hentschel, OB-Bewerber der Linkspartei, sehen wir bei Werten zwischen 6 und 7 Prozent.
Auch hier werden Parteistrategen bereits jetzt die Rechenschieber in Bewegung setzen. Was bedeutet das für eine Stichwahl? Wohin würden die Wähler der dann ausgeschiedenen Kandidaten wandern? Abgeschlagen ist nach den Erkenntnissen unserer Umfrage Michael Eiche, OB-Kandidat der Alternative für Deutschland (AfD), der bei etwa zwei Prozent lag.
Stadtratswahlen:
Die SPD, derzeit nur die Nummer zwei im Stadtrat, lag zum Zeitpunkt unserer Befragung deutlich vorne in der Wählergunst. Bei denen, die sich schon sicher entschieden haben, sieht der Mathematiker Rösch die Sozialdemokraten bei etwa 38 Prozent – und damit deutlich über ihrem Ratswahl-Ergebnis aus dem Jahr 2009 und vor allem deutlich vor der CDU. Die Christdemokraten lagen zum Zeitpunkt der Befragung bei gut 29 Prozent – das wäre klar weniger als bei der Wahl 2009. Vor allem aber liegt die CDU aktuell deutlich hinter der SPD. Das wäre das erste Mal seit 1999. Auch hier gibt es eine statistische Fehlerquote. Doch, so Statistiker Günther Rösch: „Bei den großen Parteien und diesem Abstand kann ich sicher sagen: Die SPD lag zum Zeitpunkt der Befragung in der Gruppe derer, die sicher oder wahrscheinlich zur Wahl gehen, auf jeden Fall in der Gunst vorne.“
Kein Erfolg im Schlafwagen
Noch einmal: Wir sagen nicht das Wahlergebnis voraus. Im Gegenteil. Die Umfrage zeigt, wie viele Unentschlossene es noch gibt. Am Ende können die Zahlen ganz anders aussehen – wenn denn die Parteien und Kandidaten es endlich schaffen, in die breite Masse der Hagener Bürger vorzustoßen. Wenn es eine große Gruppe gibt, die ja gerne wählen will, aber nicht weiß, wo sie guten Gewissens ihr Kreuzchen machen soll, dann ist das ein Warnzeichen.
FDP und Grüne müssen aufpassen, dass sie ohne eigene OB-Kandidaten nicht unter die Wahrnehmungsschwelle fallen. Und auch mit eigenem OB-Bewerber scheint die Wahl für Hagen Aktiv keinesfalls ein Selbstläufer zu werden.
Dass die SPD ziemlich gut dasteht, hat sicherlich seinen Grund: Die SPDler waren früh im Stadtbild präsent – persönlich wie mit Plakaten. Und sie gehen mit pointierten Thesen, etwa in Sachen Enervie-Aktien, in den Wahlkampf. Die mag man als populistisch bewerten. Die kann man gut oder schlecht finden. Aber man kann sich mit ihnen auseinandersetzen.
Ist Ähnliches von der CDU bekannt? Gut, es gab den Coup mit dem Jamaika-Kandidaten Schulz. Und was kam dann? Im Schlafwagen gewinnt man jedenfalls keine Wahlen. Michael Koch
Ein wenig schwieriger wird diese Aussage für die kleinen Parteien im Rat. Günther Rösch: „Hier können schon wenige Nennungen für deutliche Verschiebungen sorgen.“ Wir verzichten daher auf Nennung der konkreten Prozentzahlen, die letztlich zu wenig Aussagekraft hätten. Allerdings gibt es sehr deutliche Trends. Sicher ist: Zum Zeitpunkt der Befragung haben Grüne, Hagen Aktiv und FDP in der Gruppe derer, die sicher oder wahrscheinlich zur Wahl gehen und ihre Entscheidung schon getroffen haben, deutlich schlechter abgeschnitten als bei der Kommunalwahl 2009.
Da keine Fünf-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen existiert und mit etwa zwei Prozent ein Sitz im Stadtrat wahrscheinlich ist, sieht die Umfrage diese drei Parteien bzw. Wählergruppen weiter im Rat vertreten – allerdings deutlich schwächer. Anders sieht es bei der Linkspartei aus: Sie hat im Vergleich zum Ergebnis aus dem Jahr 2009 deutlich zugelegt. Im Stadtrat vertreten sein wird auf Basis unserer Umfrage auch die AfD, die erstmals antritt und stärker als ihr OB-Kandidat abschneidet. Ein Fragezeichen hingegen muss hinter den erneuten Einzug der Bürger für Hagen/Hohenlimburg gemacht werden. Gleiches gilt für die Piratenpartei, die erstmals antritt.
CDU schneidet bei den Frauen besser ab
Schaut man nur auf die Frauen, würde Erik O. Schulz 44,6 Prozent bekommen, Horst Wisotzki 42,8 Prozent. Bei den Männern liegt Schulz bei 43,7 Prozent, Wisotzki nur bei 38,5 Prozent. Bei Männern schneidet Ingo Hentschel im Vergleich zum Gesamtergebnis besser ab, bei Frauen Josef Bücker.
Bei den Stadtratswahlen schneidet die CDU in der Befragung bei den Frauen besser ab als im Gesamtergebnis. Bei den männlichen Wählern liegen die Christdemokraten hingegen noch deutlich unter den Gesamtzahlen. Die Linkspartei ist bei den Männern stärker als bei den Frauen vertreten.
Deutlich mehr Männer als Frauen sind bereits sicher, dass sie am 25. Mai wählen gehen werden. Bei den jüngeren Wahlberechtigten (16 bis 40 Jahre) muss eine deutlich niedrigere Wahlbeteiligung befürchtet werden als bei den Über-40-Jährigen. Insgesamt gibt es rund 152 000 Wahlberechtigte.
Insgesamt lagen alle kleinen Parteien jeweils unter zehn Prozent – und zwar in der Reihenfolge: Linkspartei, Grüne, AfD, Hagen Aktiv, Piratenpartei, Bürger für Hagen. Woraus zum Beispiel Hagen Aktiv Hoffnung ziehen kann: Derzeit liegt die Wählergemeinschaft bei den Ratswahlen noch unter den Werten für ihren OB-Kandidaten Josef Bücker. Der war schon 2009 angetreten und hatte am Ende als Person nahezu das gleiche Ergebnis wie Hagen Aktiv.
Die Unentschlossenen:
Über all den bislang dargestellten Zahlen liegt ein großes „Aber“. Denn mehr als die Hälfte derer, die auf jeden Fall oder wahrscheinlich zur Wahl gehen wollen, haben für sich noch keine Wahlentscheidung getroffen. Bei den Oberbürgermeisterwahlen (59,4 Prozent) liegt dieser Wert noch höher als bei den Stadtratswahlen (53,5 Prozent). Daraus lässt sich unschwer der Schluss ziehen: Es gibt Trends, aber die Wahl ist längst nicht entschieden.