Hagen. . Der Umgang zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften hat sich gewandelt. Die gemeinsame Bewältigung der Krise 2008 hat die Stimmung deutlich verbessert. Die Konflikte wachsen heute abseits des Metallbereichs, vor allem im öffentlichen Dienst. Aber nicht überall. DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber aus Hagen spricht zum Tag der Arbeit von einer „erprobten Arbeitsbeziehung“.
Der Begriff Sozialpartnerschaft ist in Deutschland keine Worthülse, sondern gelebte Praxis. Was manche in der Beziehung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften als „Konsenssoße“ verächtlich machen, gilt anderen als Modell, das das Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg und die rasche Erholung der deutschen Unternehmen nach der großen Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 erst möglich gemacht hat.
Erprobte Arbeitsbeziehung
DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber aus Hagen spricht zum Tag der Arbeit von einer „erprobten Arbeitsbeziehung“, zumal in einer Region wie Südwestfalen, in der keine anonymen Aktiengesellschaften, sondern Familienbetriebe den Ton angeben und eine „besondere Bindung“ zwischen Unternehmern und ihren Beschäftigten herrscht - bei der Arbeit und anschließend beim Schützenfest.
Aber Meyer-Lauber möchte auch nicht in Euphorie verfallen. „Es gibt auch heute im Arbeitgeberlager schwarze Schafe, die keine Tarifverträge und keine Betriebsräte wollen.“ Außerdem gebe es weiterhin einen großen Niedriglohnsektor - jeder fünfte Arbeitnehmer verdiene weniger als 8,50 Euro: „Auch in Südwestfalen sieht das nicht viel besser aus.“ Daher habe man in der großen Koalition mit dem Mindestlohn einen wichtigen Schritt gemacht, so der DGB-Landeschef.
Verbesserte Sozialpartnerschaft
Auf der anderen Seite gebe es zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern Meyer-Lauber zufolge in bestimmten Bereichen viel Übereinstimmung, etwa in der Infrastrukturpolitik. Verkehrswege sowie berufliche Bildung seien Themen, die besonders Südwestfalen beträfen, Hagen sei eine Stadt mit schwierigen sozialen Bedingungen. War die Sozialpartnerschaft also immer schon gut? „Sie ist besser geworden“, sagt Meyer-Lauber. Und er kann auch genau sagen, seit wann: „Seit der Krise von 2008. Die gemeinsame Strategie der Krisenbewältigung hat das Klima deutlich verbessert.“
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„Die ideologischen Gräben früherer Zeiten sind nicht mehr zu erkennen“, ergänzt Landesarbeitgeberpräsident und NRW-Metallarbeitgeberchef Horst-Werner Maier-Hunke. Es gebe nur noch unterschiedliche Positionen, etwa in der Lohnpolitik. „Wir arbeiten mit dem DGB in NRW positiv zusammen“ - es gebe mehr Gemeinsamkeiten als früher, etwa in der Energie- und Hochschulpolitik, so Maier-Hunke. DGB-Landeschef Meyer-Lauber sowie der IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel aus Siegen seien „positive Beispiele für pragmatisches Handeln.“ Ähnliches erwarte er auch vom künftigen DGB-Bundesvorsitzenden Reiner Hoffmann. Rituale wie die zum 1. Mai findet Maier-Hunke nicht mehr zeitgemäß. „Aber das abzuschaffen wird Zeit brauchen“, ahnt er. „Sonst wäre ja der 1. Mai als Feiertag in Gefahr.“
In Südwestfalen liegt der Fokus auf dem Metallbereich
Natürlich liegt in einer industriegeprägten Region wie Südwestfalen der Fokus auf dem Metallbereich. Dort spielt die Musik, und das Miteinander ist größer geworden. Im öffentlichen Dienst dagegen ärgern Arbeitskämpfe und Warnstreiks nicht nur Bund, Land und Kommunen als Arbeitgeber, sondern auch Tausende von berufstätigen Eltern, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder morgens unterbringen sollen und Kranke, die sich um OP-Termine Sorgen machen. Und Spartengewerkschaften demonstrieren ihre Macht gern an Flughäfen und Bahnhöfen, in denen dann Tausende übermüdeter und genervter Reisende stranden. Genug Konfliktstoff also, um die Sozialpartnerschaft nachhaltig zu trüben.
Verdi sieht wachsendes Gerechtigkeitsgefühl in Bevölkerung
Doch es hat sich etwas verändert im öffentlichen Bewusstsein, findet Gabriele Schmidt, Landesleiterin der Gewerkschaft Verdi in Düsseldorf. Aus dem lauten und heftigen Aufbegehren gegen Gewerkschaften, die ihre Muskeln spielen lassen, ist eher ein stilles Murren der direkt von Arbeitskämpfen Betroffenen geworden. Bei den jüngsten Warnstreiks zum Beispiel: „Die Menschen ärgern sich, wenn der Nahverkehr nicht fährt oder die Kitas geschlossen bleiben. Aber in den vergangenen Jahren haben wir deutlich mehr Beschwerden bekommen. Kaum ein Reisender wollte sich in diesem Frühjahr etwa vor Kameras und Mikrofonen äußern. In der Bevölkerung entsteht gerade mehr Gerechtigkeitsgefühl.“
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Ohne Druck bekommt eben niemand einen Cent mehr, dafür sind Einschränkungen in Kauf zu nehmen, so der Tenor. Und die Abschlüsse in den letzten Jahren sind, wohin man auch blickt, maßvoll. Das Schreckgespenst von polternden Gewerkschaften, die stets ohne Rücksicht auf Verluste einen großen Schluck aus der Pulle nehmen wollen, hat ausgedient. Jedenfalls da, wo in sozialen Dienstleistungsbereichen und im Handel der Druck auf die Beschäftigten immer weiter zunimmt, um zu Einsparungen zu kommen, wo die Konkurrenz immer härter wird. „Ich sehe keine Harmonie bei uns“, sagt Gabriele Schmidt. Im Gegenteil: „Die Konflikte sind schärfer geworden.“
Künftiger DGB-Chef zeigt klare Kante
Das findet auch Helge Adolphs, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten in Südwestfalen. Die Konflikte, die er gerade bearbeitet, sprudeln nur so aus ihm heraus: Umgang mit den Beschäftigten bei der Schnellimbiss-Kette Burger King, davon zwei Filialen in Hagen, der Kampf um die Arbeitsplätze bei der Iserlohner Brauerei, die Missachtung von Tarifverträgen im Bäckerhandwerk, mögliche Ausnahmen für unter 18-Jährige beim Mindestlohn - von Harmonie keine Spur.
Verteilungskämpfe um Einkommen
Davon will auch Hartwig Durt nicht sprechen, erster Bevollmächtigter der IG Metall im Bezirk Siegen. Es werde weiter Verteilungskämpfe um Einkommen, Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen geben meint er. Innerhalb der üblichen Rituale: „Ohne Rituale bekäme der katholische Priester keine Messe über die Bühne, und die Gewerkschaften brauchen ihre Rituale, um ihre Konflikte mit den Arbeitgebern auszutragen.“