Hagen.. Die Kripo im Polizeipräsidium Hagen verliert ungeklärte Morde nicht aus den Augen: „Alle Verbrechen, die nach dem 1. November 1970 verübt worden sind, haben wir auf dem Radar.“ Das Schicksal der Opfer lässt die Beamten nicht los. Der DNA-Abgleich gilt bei den Ermittlern als die Wunderwaffe im Einsatz gegen das Verbrechen.

Mord verjährt nicht. Unaufgeklärte Fälle schlafen nie. Nicht in den Aktenordnern im Archiv, nicht in den Köpfen der Ermittler. „Es fuchst einen immer, wenn der Täter nicht gefasst worden ist“, sagt Ulrich Kayser, Leiter des Kriminalkommissariats 11 im Hagener Polizeipräsidium. „Den Fall schleppt man mit sich herum.“

Der 54-Jährige gehört zu den Kommissaren, die die Ruhe im Club der toten Akten empfindlich stören. „Alle Verbrechen, die nach dem 1. November 1970 verübt worden sind, haben wir auf dem Radar.“ So abgegriffen es klingt: Die Hoffnung auf Aufklärung stirbt zuletzt. Das Schicksal der Opfer lässt die Beamten nicht los.

Aufklärung nach 34 Jahren

Beispiel? Der Mord an der 18-jährigen Tchibo-Verkäuferin Brunhilde E. aus Hagen im Januar 1979. Im Januar 2013, 34 Jahre später, muss sich der Täter Dieter F. vor Gericht für seine grausame Bluttat verantworten. Er vergewaltigte, erwürgte und pfählte die junge Frau.

Bei einer Überprüfung alter Fälle waren mit einem neuen, technisch weiter entwickelten Verfahren DNA-Spuren von ihm an der Kleidung des Opfers sichergestellt worden. Das Besondere in diesem Fall: Der Täter saß bereits seit Januar 1980 zu lebenslanger Haft verurteilt im Knast, weil er Wochen später nach diesem Verbrechen in Hagen seine Freundin erstochen hatte und überführt worden war. „Seit 1987 arbeiten wir mit dem DNA-Abgleich“, sagt Kayser, „das ist eine absolute Wunderwaffe, die immer schärfer wird.“

Ungelöste Morde landen nicht turnusmäßig als Wiedervorlage auf dem Schreibtisch. Wenn aber eine DNA-Spur der eines älteren Falles ähnelt, bekommt die Aufklärungsarbeit einen neuen Schub. Und der ständige Blick der kriminaltechnischen Abteilung auf die Asservate, die im Zusammenhang mit einem Mord bei der Staatswaltschaft aufbewahrt werden, fehlt nicht. Möglicherweise liefert eines der Verwahrstücke mit neuen Analysemethoden entscheidende Hinweise.

Aufklärungsquote bei Kapitalverbrechen beinahe 100 Prozent

Angesichts einer Aufklärungsquote bei Kapitalverbrechen, die nahe 100 Prozent geht, ist der Ehrgeiz groß, den Schuldigen zu finden. Nicht nur bei den Ermittlern. Auch die Angehörigen der Opfer lässt das Verbrechen nicht los. Kayser: „Die Hinterbliebenen wollen wissen, was passiert ist. Sie fragen nach, ob es neue Spuren gibt.“

Nichts bleibt unversucht. Aufrufe in Fernsehsendungen wie „Aktenzeichen XY...ungelöst“ im ZDF oder „Ungeklärte Morde“ auf RTLII hält Kayser für eine Gratwanderung. „Es ist ein Versuch. Mehr nicht.“ In Fällen, die ermittlungstechnisch ausgereizt seien, ende das in Kaffeesatzleserei. „Wenn die Sendung nachts wiederholt wird, erreichen uns entsprechende, kaum verwertbare, Anrufe von dem Klientel, das um die Zeit noch auf den Beinen ist“, weiß Kayser aus Erfahrung.

Überwiegend Beziehungsdelikte

Beispiel? Der Beitrag über das schreckliche Verbrechen an einer jungen Frau, 1,54 Meter groß und zwischen 14 und 22 Jahren alt. Am Abend des 2. Juni 1997 wurde sie gewürgt, missbraucht, mit Benzin übergossen und bei lebendigem Leib im Wald am Bergfeld zwischen Lüdenscheid und Altena verbrannt.

Ein Motorradfahrer fand die Leiche. „Es ist die übelste Schandtat, die ich kenne. Täter ist der Vater“, sagt Kayser, „so lange die Mutter des Mädchens schweigt, kommen wir nicht weiter. Kaum ein Hinweis der Zuschauer hatte einen Bezug zur Tat.“ Bis heute ist die Identität des Opfers unbekannt. Den Vater vermutet die Kripo in Rumänien und ist machtlos. Was ihm Mut bei der Arbeit Mut macht? „Es sind überwiegend Beziehungsdelikte, die sich, salopp formuliert, fast von alleine aufklären.“