Hagen. .

Es ist auf seine letzten Tage als Oberbürgermeister noch ein „dicker Brocken“ auf seinen Tisch gekommen: Jörg Dehm ist als Aufsichtsratsvorsitzender des heimischen Energieunternehmens Enervie gefragt, wenn RWE seine Enervie-Anteile nun an den Entsorger Remondis verkaufen will.

Denn es gibt von SPD und Grünen bereits Vorbehalte: Sollte die Stadt nicht besser über ihre „Tochter“ Hagener Versorgungs- und Verkehrs GmbH (HVG) die Anteile kaufen, um so ein Stück Daseinsfürsorge noch mehr in öffentlicher Hand zu halten? Der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende im Gespräch.

Frage: RWE beabsichtigt, seinen 19,06-Prozent-Anteil an Enervie an Remondis zu verkaufen, die Stadt Hagen hat genauso wie die anderen Städte ein Vorkaufsrecht. Wie läuft das Verfahren nun genau ab? Welche Fristen gibt es?

rg Dehm: Es gibt ein dreistufiges Verfahren: Zuerst können die Kommunen im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligung das Vorkaufsrecht ausüben. Falls dies nicht alle tun, können in der zweiten Stufe die Aktionäre, die in der ersten Stufe „zugreifen“, die verbleibenden Anteile wiederum anteilig erwerben. Bleiben dann noch Anteile, hat die Enervie selbst ein Vorkaufsrecht. Es gilt jeweils eine Frist von acht Wochen.

Die Fristen erscheinen reichlich kurz: Kann in so kurzer Zeit tatsächlich entschieden werden? Und: Haben die ehrenamtlichen Politiker da wirklich genug Zeit, sich eine fundierte Meinung bilden zu können?

Die Fristen sind für eine Gesellschaft mit einem Dutzend kommunaler Aktionäre, die sich auch untereinander abstimmen müssen, extrem knapp. Allerdings hat auch der verkaufende Aktionär ein Recht, dass Entscheidungen nicht verschleppt werden. Und wenn alle Stufen und Fristen genutzt werden, reden wir von einem knappen halben Jahr.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Frage im Wahlkampf zerrieben wird?

Die Gefahr besteht, ich setze aber auf die Verantwortung der Politik, die Interessen der Stadt voranzustellen. Und wir können die Entscheidung nicht verschieben.

Es gibt zwei Optionen: Mit Remondis weiter auf eine private Beteiligung an Enervie setzen oder eine Rekommunalisierung einleiten, indem die Kommunen die Anteile direkt oder über Tochtergesellschaften aufkaufen? Wo liegen die Vor- und Nachteile dieser beiden Wege?

Nach meiner persönlichen Einschätzung hat die private Beteiligung dem Unternehmen gut getan. RWE hat unternehmerisches Know how und Branchenkenntnis eingebracht, das wir Kommunale nicht haben können. Und mit Blick auf die ganz schwierige Situation auf dem Energiemarkt kann dies in Zukunft noch wichtiger werden.

Sicher gibt es auch gute Gründe für eine Rekommunalisierung. Mit einer größeren Beteiligung hätten wir mehr Chancen, aber auch mehr Risiko.

Können sich die finanziell angeschlagenen Städte einen solchen Schritt der Rekommunalisierung leisten? Wie könnte die Stadt Hagen den Ankauf der Anteile von RWE praktisch vollziehen?

Leisten könnten wir uns diese Millioneninvestition nur dann, wenn wir sicher sind, dass wir eine gute Verzinsung in Form der Ausschüttungen erhalten werden. Ich sehe diese Sicherheit im Moment nicht. Wenn wir auf die Zukunft der Enervie blicken, sehen wir eher dichten Nebel. Praktisch würde ein Zukauf nur über die HVG möglich sein, die auch Eigentümerin der schon vorhandenen Hagener Anteile ist. Hier gibt es noch Rücklagen aus früheren Transaktionen, deren Verzinsung allerdings zur Reduzierung der Verluste aus ÖPNV und Bädern wesentlich beiträgt. Nutzen wir diese Rücklagen für einen Zukauf von Aktien und erreichen nicht mindestens die gleiche Verzinsung, dann haben wir die negativen Ergebnisse unmittelbar im Haushalt. Und wir gefährden ggf. die HVG, die sich nach einem langen und harten Restrukturierungsweg hervorragend aufgestellt hat.

Können sich Städte überhaupt noch eine Beteiligung an Energieunternehmen angesichts der stark schwankenden Markt-Situation leisten? Und auf die Spitze getrieben: Müssten die Städte nicht auch – wie RWE – anstreben, ihre Anteile zu verkaufen?

Im Moment eine sehr berechtigte Frage. Wir erleben gerade, in welche großen Probleme andere Ruhrgebietsstädte durch die notwendige Abwertung der RWE-Aktien kommen. Aber die Beteiligung an der Energieversorgung hat nicht nur mit Dividende zu tun, sondern ganz viel mit kommunaler Verantwortung für diesen wichtigen Versorgungsbereich. Von daher würde ich die bestehende Beteiligung nicht in Frage stellen.

Ist Remondis denn aus Ihrer Sicht ein guter privater Partner?

Ich kenne das familiengeführte Unternehmen seit etlichen Jahren, in denen es eine erstaunliche Entwicklung vollzogen hat. Remondis ist in vielen Unternehmen Partner der Kommunen. Und diese sind nach meiner Wahrnehmung durchaus zufrieden mit der Zusammenarbeit. Von daher sehe ich eine Beteiligung an der Enervie positiv.