Es war im Volkspark in der Innenstadt. Sie war erst 14 Jahre alt. Irgendwann fing es an, dass genau dieser Ort ihre erste Anlaufstelle nach der Schule war. Dort nahm sie auch erstmals Heroin.
Oft heißt es, dass eine schlechte Kindheit der Grund für Drogenkonsum bei Jugendlichen ist. Nicht so bei Sandra* (Name geändert). Sie kommt aus einem guten Elternhaus. Zwar trennten ihre Eltern sich, als sie 15 Jahre war, doch das war nicht der Grund dafür, dass sie anfing, Drogen zu nehmen. „Einen genauen Grund gibt es gar nicht, ich glaube es war einfach die Neugier, die mich gelockt hat”, erklärt die heute 27-Jährige.
Angefangen hat alles mit Haschisch. „In meiner Schule waren viele Mädels, die Haschisch genommen haben. So entstand der erste Kontakt zu den Drogen”, erinnert sie sich. Irgendwann lernte sie dann „diesen Typen” kennen. „Er bot mir was an. Ich kannte das braune Zeug nicht. Und habe es ausprobiert.” Damals war Sandra 14 Jahre und wusste nicht, dass das „braune Zeug”, das in der Szene auch Shore genannt wird, Heroin ist. „Ich dachte, es kann kein Heroin sein, weil wir es nasal eingenommen, also durch die Nase eingezogen haben.”
Doch genau wie Kokain kann auch Heroin über die Nase ins Blut gelangen und dort seine volle Wirkung ausbreiten. „Dieses Gefühl ist unglaublich. Sorgen und Ängste werden komplett ausgeblendet. Die ersten Male musste ich mich übergeben. Es klingt paradox und unvorstellbar, aber dieses Übergeben war ein schönes Gefühl”, erinnert sie sich. Ab diesem Tag begann ein wahrer Teufelskreis für das junge Mädchen. „Mein Lebensinhalt bestand nur noch darin, mir irgendwie Geld zu besorgen, um an Stoff zu kommen.”
Wie "Bonnie und Clyde"
An das Geld kam sie durch Ladendiebstähle. Sandra und ihr damaliger Freund zogen wie „Bonnie und Clyde" durch die Straßen und Läden. Ungefähr 150 Euro täglich brauchten die Beiden für ihren Drogenkonsum. „Essen, Trinken, Freunde - diese Dinge werden zweitrangig. Es zählt nur, Geld für Stoff zu haben.”
Mit 17 Jahren folgte die erste Gefängnisstrafe. 18 Monate. „Ich fand es nicht schlimm, dass ich ins Gefängnis musste. Irgendwie war es aufregend und cool.” Sandra nutzte die Zeit im Gefängnis, um zu arbeiten. Als es hieß, sie würde entlassen, müsse aber eine Therapie machen, flüchtete die junge Frau. Ein paar Wochen war sie draußen. Immer unterwegs. Bis sie eines Tages, an ein Bett gefesselt, aufwachte. Man hatte sie leblos in der Nähe des Hagener Bahnhofs gefunden. Von der Fahrt ins Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt Fröndenberg weiß sie nichts.
Teufelskreis holt sie ein
Nach acht Monaten wurde sie wieder frei gelassen. Doch unmittelbar nach der Entlassung holte der Teufelskreis sie ein. Wieder Ladendiebstähle, um an Geld für den Stoff zu kommen. Mit 19 Jahren die zweite Gefängnisstrafe: zwei Jahre. Doch auch diese Zeit nutzte sie: „Ich habe in den zwei Jahren mein Fachabitur gemacht.”
2007 kam sie frei, doch mit der Freiheit kamen die Sorgen und Nöte wieder. „Im Knast musst du dir keine Gedanken machen, woher du Essen bekommst, wo du schläfst oder wie du das Busticket bezahlst.” Sie wurde rückfällig. Doch sie wollte raus aus dem Drogensumpf.
Seit Oktober 2007 ist Sandra im Substitutionsprogramm des Suchtbehandlunsgzentrums im Evangelischen Krankenhaus in Elsey. Während dieser Zeit gab es immer mal wieder schlechte Zeiten. „Manchmal bekommt man Angst, dann haut man ab und wird rückfällig.” Doch mittlerweile ist Sandra auf einem guten Weg. „Wenn du dann mal mehrere Tage nichts genommen hast, bist du stolz und merkst plötzlich, dass es auch so geht. Du hast nicht mehr den Druck: Wie komme ich an Geld, um mir Stoff zu besorgen? Du stehst morgens auf und es ist schön, wenn du dir als Erstes einen Kaffee machst anstatt andere Dinge einzunehmen.”
"Ich möchte einen Job haben"
Für die Zukunft schmiedet die junge Frau bereits Pläne: „Ich möchte einen Job haben. Ich möchte endlich arbeiten. Außer im Gefängnis habe ich ja noch nie gearbeitet.”
Sandra ist auf dem Weg, den Teufelskreis zu durchbrechen.