Hagen. . Verarmen die Sauerländer Dörfer gastronomisch? Nicht überall! Wenn die Dorfkneipe am Ende ist und der Wunsch nach Geselligkeit sowie gemeinsamem Feiern fortbesteht, springen oft Schützenvereine ein - ehrenamtlich! Beispiele gibt es in Hüsten und Müschede.

Nicht nur der Mittelstand stirbt nach einem geflügelten Wort still, manchem Dorfgasthaus in Südwestfalen geht es in diesen Tagen ähnlich. Wo sich bis in die achtziger und neunziger Jahre das gesellschaftliche Leben einer kleinen Gemeinde abspielte, wo nach der Arbeit zusammengesessen, getrunken und geraucht und sonntags vor, während und nach dem Gottesdienst der Frühschoppen begangen wurde, sieht man heute oft geschlossene Fensterläden.

Die Zeiten haben sich geändert: Der Beruf fordert mehr, die Mobilität ist gestiegen, das Freizeitverhalten hat sich verändert, hinzu kommt jetzt für viele das Rauchverbot. Und: Manche Dörfer schrumpfen.

Es geht nicht um das Landgasthaus

„Es geht nicht um den Landgasthof mit großem Saal und Kegelbahn, der die Familienfeiern ausrichtet“, präzisiert Ulrich Biene, Sprecher der Veltins Brauerei. Sondern um die Dorfkneipe mit kleinem Speiseangebot, in die man in erster Linie nach Feierabend oder am Wochenende wegen des Bierchens und der Geselligkeit ging. „Und es gibt zusätzlich eine neue Erwartungshaltung“, hat Thorsten Hellwig beobachtet, Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in NRW: „Die Leute schauen auf Events mit spezieller Gastronomie, auf Genuss- und Schlemmermeilen. Das ist für viele attraktiver als die alte Dorfkneipe.“

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Doch es gibt Ausnahmen: „Da, wo im Sauerland ein aktives Vereinsleben herrscht, gibt es kein Gasthaus-Sterben“, erklärt Stefan Leppin, Sprecher der Warsteiner Brauerei. Oft ist es ein Problem der Nachfolge. Schließlich muss das Ganze rentabel bleiben. Laut Ulrich Biene machen das viele Inhaber, bis sie 70 oder 75 Jahre sind, und dann verarmen die Dörfer gastronomisch. Doch das ist nicht im Sinne der Brauereien, die Werbebotschafter für ihr Bier brauchen. Wenn die Dorfkneipe am Ende ist und der Wunsch nach Geselligkeit und gemeinsamem Feiern fortbesteht, springen oft Schützenvereine ein. Ehrenamtlich.

Schützenhäuser werden umfunktioniert

„Wir sind hier als Brauerei Veltins seit der Jahrtausendwende stark beratend tätig geworden“, räumt Biene ein: „Wir sprechen derzeit unter Beteiligung von Innenarchitekten mit einem Dutzend Vereinen, die in den 60er Jahren Schützenhäuser gebaut haben, wie die Gestaltung der Räume aussehen könnte. Investieren müssen die sowieso.“ Dann kann die Schützenhalle zum Dorfgemeinschaftshaus werden.

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Noch gibt es nur wenige Beispiele. Die Schützenbruderschaften in Müschede und Hüsten etwa. Oder der „Kübel“ der neue Dorftreff in Eslohe-Kückelheim, nachdem die „Alte Post“ geschlossen hatte. Oder der „Stracken Hof“ in Sundern-Endorf, die erste Ehrenamtskneipe im Sauerland überhaupt.

Gewisse Überlebenschance

Thorsten Hellwig räumt dieser Art der Kneipenkultur sogar eine gewisse Überlebenschance ein: „Die stehen nicht unter dem Druck, davon leben zu müssen.“ Skeptisch zeigt sich dagegen der Inhaber einer kleineren Brauerei. „Das kann nicht gehen“, meint Christian Vormann aus Hagen. „Die Vereine werden nicht jünger.“

Geschichte der Warsteiner Brauerei

Alte Lkw vor der Warsteiner Brauerei.
Alte Lkw vor der Warsteiner Brauerei. © Warsteiner
Qualitätskontrolle des Warsteiner Bieres.
Qualitätskontrolle des Warsteiner Bieres. © Warsteiner
Der Fuhrpark in den 1950er Jahren.
Der Fuhrpark in den 1950er Jahren. © Warsteiner
Die Stadtbrauerei inklusive Fuhrpark.
Die Stadtbrauerei inklusive Fuhrpark. © Warsteiner
Die Warsteiner Brauerei um 1900.
Die Warsteiner Brauerei um 1900. © Warsteiner
Die Abfüllung des Bieres um 1930.
Die Abfüllung des Bieres um 1930. © Warsteiner
Alte Lkw der Warsteiner Brauerei unterwegs.
Alte Lkw der Warsteiner Brauerei unterwegs. © Warsteiner
Catharina Cramer und ihr verstorbener Vater Albert.
Catharina Cramer und ihr verstorbener Vater Albert. © WDR/Warsteiner Brauerei
2013: Nachdenklich, lächelnd, gestikulierend und charmant - die aktuelle Brauerei-Chefin Catharina Cramer.
2013: Nachdenklich, lächelnd, gestikulierend und charmant - die aktuelle Brauerei-Chefin Catharina Cramer. © Tim Cordes/WP
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Die Vormann Brauerei habe Gastronomie-Projekte früher häufiger begleitet, heute nicht mehr. Für die großen Brauereien seien Gaststätten wie große Werbeschilder, so Vormann. „Die möchten dort präsent sein, obwohl es beim Fassbier wegen der Konkurrenz kaum etwas zu verdienen gibt. „Das können wir uns nicht erlauben.“