Hagen. . Politisch geboten, aber ökonomisch riskant: Das ist der Tenor in den Unternehmen Südwestfalens zu den EU-Sanktionen gegen Russland. Die politischen Gefahren bedrücken nicht nur die großen Dax-Konzerne. Die Ukraine hingegen ist kein bedeutender Handelspartner südwestfälischer Unternehmen.
Politiker und Ökonomen sind sich in diesen Tagen so uneinig wie selten. So geboten Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Krise aus politischer Sicht sein mögen, so riskant erscheinen sie aus wirtschaftlicher Perspektive. Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen von möglichen verheerenden Folgen einer Sanktionsspirale für die konjunkturelle Erholung in Europa. Die Rechnung, ein nicht unwahrscheinliches Szenario: Würden die deutschen Exporte nach Russland um die Hälfte zurückgehen, könnte dies das deutsche Wachstum um 0,6 Prozent verringern - das entspricht immerhin 16,4 Milliarden Euro.
Doch die politischen Gefahren bedrücken nicht nur die Dax-Konzerne oder die Unternehmen, die im Erdöl- oder Erdgas-Geschäft aktiv sind, sondern auch mittelständische Betriebe in Südwestfalen, die ihre Waren in die Ukraine oder nach Russland exportieren oder dort Vertriebsbüros oder gar Produktionsstandorte haben.
Noch keine Einschränkungen
Zu letzteren gehört der Holzwerkstoff-Spezialist Egger aus Brilon, der in der Ukraine ein Vertriebsbüro mit einer kleinen Mannschaft in Kiew unterhält und in Russland zwei größere Produktionswerke mit je mehreren hundert Mitarbeitern. „Eins bei Smolensk und das andere in Shuya nordöstlich von Moskau“, berichtet Christian Meisner, Leiter der Exportabteilung. Noch spüre er keine Einschränkungen für Egger, sagt er.
Das Geschäft mit der Ukraine funktioniere „gerade noch“, die Warenströme liefen. Gemeint ist damit der Export verkaufsfertiger Produkte wie Spanplatten und Holzwerkstoffe. In die beiden russischen Werke gehen Halbfertig- und Fertigprodukte wie Rohplatten, Papier und Leim. Beides macht für den Standort Brilon Meisner zufolge rund fünf Prozent des Umsatzes aus.
„Sanktionen würden uns nicht helfen“, betont er. „Und die Russen würden sich nicht davon beeindrucken lasssen.“ Was wäre, wenn? Wenn die Devisen zur Neige gehen, dann wird es schwieriger, wenn in Euro abgerechnet wird, sagt er. „Dann bekommen die russischen Werke keine Vormaterialien mehr.“ Das wäre vor allem deshalb schlecht fürs Geschäft, „weil der Osten noch ein Wachstumsmarkt ist, Westeuropa nicht mehr.“
Chancen im Autozulieferbereich,
Trotz ihrer Größe ist die Ukraine kein bedeutender Handelspartner für südwestfälische Unternehmen, betont Frank Herrmann, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft bei der SIHK zu Hagen. „Russland ist da eine ganz andere Hausnummer.“ Viele kleinere Mittelständler aus der Region trauten sich aber nicht dorthin wegen der immer noch herrschenden Rechtsunsicherheit. Exportiert werden Maschinenbauteile, Autos und Autoteile, Chemieprodukte. Große Chancen gebe es im Autozulieferbereich, so Herrmann. Die Russen forderten Produktion vor Ort. „Das ist aber nicht im Sinne unserer Unternehmen.“
Auf eine andere Konsequenz der politischen Wirren macht Horst-Werner Maier-Hunke aufmerksam, Inhaber des Iserlohner Büroartikelherstellers Durable und im Nebenberuf Landesarbeitgeberpräsident in Düsseldorf. Durable unterhält in Moskau ein Büro mit fünf Mitarbeitern.
Rubel ist leichter geworden
„Der Rubel ist erheblich leichter geworden“, sagt er. „Unsere russischen Kunden müssen 20 Prozent mehr bezahlen. Die ersten haben schon angerufen und um Rabatt gebeten.“ Dies sei inzwischen eine Frage der Wetbewerbsfähigkeit geworden. Daher sein Rat: „Man kann Putin nicht machen lassen, was er will, aber man muss mit Augenmaß reagieren.“