Dortmund. .

Zum Hören zu wenig

Kerstin Schraft klagt gegen die AOK

Kerstin Schraft führt auf den ersten Blick ein Leben wie viele andere. Doch für die selbstständige Ergotherapeutin und Mutter eines elfjährigen Sohnes ist der Alltag ungleich anstrengender. Die 43-Jährige leidet unter einer seltenen Hörschädigung. Seit zwei Jahren streitet sie vor Gericht mit ihrer Krankenkasse AOK darüber, welches Hörgerät ihr zusteht.

Mit der Geschichte der Hörderin wird der nächste Fall öffentlich, in dem eine Krankenkasse notwendige Hilfen verweigert. Erst Mitte Januar stand die AOK West zuletzt im Fokus, als es Probleme um die Genehmigung eines Rollstuhls für ein schwerbehindertes Kind gab – hier lenkte die Krankenkasse letztlich ein. Es gibt jährlich Zehntausende solcher Widersprüche.

Allein die AOK West spricht von einer „deutlich fünfstelligen Zahl“. Mit vielen „Unschärfen“, wie Sprecher Johannes Löhr betont. „Es gibt da viele Themen, von der Diagnose bis zur Qualität von Hilfsmitteln. Und leider immer Einzelfälle, in denen es nicht direkt gelingt, eine Lösung zu finden.“

Kerstin Schraft wehrt sich dagegen, ein „Einzelfall“ zu sein. „Es fühlt sich wie eine Hinhaltetaktik an“, sagt sie. In Folge einer Röteln-Infektion leidet sie unter einer Mittel- und Tieftonschwerhörigkeit. Diese tritt bei fünf Prozent aller Hörgeschädigten auf. Nur Mehrkanal-Hörgeräte helfen der Frau. „Normale Geräte dämpfen die Geräusche nicht, sie verstärken hohe Töne sogar“. Dies mache ihren Arbeitsalltag, der sie häufig auch in Schulklassen führt, nahezu unerträglich. Die Mehrkanal-Geräte kosten rund 5 000 Euro, die Krankenkasse will nur die Hälfte bewilligen.

Im März 2012 hatte das Sozialgericht bereits einen „Anspruch auf Optimalversorgung“ festgestellt und die AOK zu einer schnellen Lösung aufgefordert. Kerstin Schraft durchlief zum zweiten Mal die Tests mit den Kasse-Geräten – mit demselben Ergebnis. Bereits zum zweiten Mal wird ihr Fall deshalb vor dem Sozialgericht landen. Die AOK äußert sich nicht zum laufenden Verfahren. Im Sozialgericht Dortmund türmen sich die Fälle (2 067 Klagen im Jahr 2012). Bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Beratungen zum Thema Krankenversicherung angestiegen. „Häufig entsteht der Eindruck, dass Krankenkassen es darauf ankommen lassen“, sagt Regina Behrendt, Referentin für Gesundheit. Häufig sind Widersprüche erfolgreich. „Das zeigt, dass es schon vorher Möglichkeiten gegeben hätte.“