Emst. Es gibt erst drei dieser Art in ganz NRW: Am Wacholderkamp auf Emst wird es bald eine intensiv ambulant betreute Wohngemeinschaft für Menschen mit einem relativ hohen Grad einer geistigen Behinderung geben. Sie hätte sonst nur einem Wohnheim leben könne. Die Suche nach der neuen Herberge war schwierig.
Es ist eine Geschichte, die passt zu der Botschaft der Weihnachtsgeschichte. Denn die Lebenshilfe Ennepe-Ruhr/Hagen hat endlich eine Herberge gefunden für ihre neue Wohngemeinschaft für Menschen mit geistiger Behinderung. Und das, nachdem es Rückschläge, Absagen und eine lange Suche gegeben hat. Jetzt wird auf Emst am Wacholderkamp kräftig renoviert. Am 1. Februar können dann fünf junge Menschen einziehen und einen neuen Lebensabschnitt beginnen.
Im Juli hatte unserer Zeitung bereits über das Projekt berichtet. Damals standen die Zeichen noch schlecht. Die Lebenshilfe hatte eigentlich schon per Handschlag eine passende Wohnung gemietet. Doch im letzten Moment machte der Vermieter einen Rückzieher. Für Petra Fernholz war das damals ein Riesenärgernis. Ihre Söhne Philipp (26) und Jakob (21), die beide geistig behindert sind, hatten sich schon auf die WG und damit ihre Eigenständigkeit gefreut.
Dass sich dann die Suche nach einer Alternative so schwierig gestaltete, konnte Petra Fernholz nicht nachvollziehen: „Mehr als 7000 Wohnungen stehen in Hagen leer.” Nach dem Artikel in unserer Zeitung gab es dann viele Reaktionen und auch viele Angebote. Doch alle Wohnungen waren zu klein für fünf Bewohner und Personal. Über Umwege schließlich kam die Lebenshilfe an das Objekt auf Emst: Eine Auszubildende der Lebenshilfe kennt einen Pfarrer. Der wollte unbedingt helfen, erinnerte sich an einen Bekannten, dem das Haus am Wacholderkamp gehört. Schnell kam man dann zusammen.
Für Susanne Ollesch, Leiterin des Betreuten Wohnen bei der Lebenshilfe Ennepe-Ruhr/Hagen, ein Glücksfall: „Die Doppelhaushälfte ist ideal. Sie bietet genug Platz mit Garten, es ist ein angenehmes Wohnumfeld. Und ganz in der Nähe ist die Infrastruktur, die die Bewohner brauchen: Eine Busverbindung in die Stadt und Einkaufsmöglichkeiten.”
Bislang nur dreimal in NRW
Die Wohnform, die hier auf Emst etabliert wird, ist etwas ganz Neues. Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger Behinderung gibt es zwar schon öfters, aber nicht für Menschen mit einem Behinderungsgrad, wie ihn die künftigen Bewohner haben. Für sie kam bislang nur ein stationäres Wohnheim in Frage. Der Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) finanziert nun aber landesweit an drei Standorten das neue Konzept der intensiv ambulant betreuten Wohngemeinschaften – einer davon ist Hagen. So soll den jungen Menschen, die im Idealfall bis ins Alter zusammen in der WG wohnen, die Chance gegeben werden, ein eigenständiges Leben zu leben.
Drei junge Männer, darunter Philipp und Jakob, und eine junge Frau werden am 1. Februar einziehen. Der fünfte Wohnplatz ist derzeit noch nicht vergeben, Bewerbungen nimmt die Lebenshilfe entgegen. Die Bewohner können ihre Zimmer ganz individuell gestalten, wie zu Hause. Es gibt zudem Gemeinschaftsräume, wie einen großen Küchen- und Wohnzimmerbereich. Ein festes Team von insgesamt fünf Mitarbeitern der Lebenshilfe wird die Bewohner in allen Lebensbereich unterstützen, auch nachts wird durchgehend ein Betreuer in dem Haus sein.
Ansonsten wird sich aber der Alttag der jungen Menschen nicht so sehr von dem in einer ganz normalen Familie unterscheiden. Morgens wird gemeinsam gefrühstückt, dann gehen die Bewohner zur Arbeit in Behinderteneinrichtungen oder aber zur Schule. Der Nachmittag ist geprägt durch Alltagsdinge wie Einkaufen, Arztbesuche oder Arbeiten im Haushalt - die Betreuer sind immer unterstützend mit dabei.
Susanne Ollesch von der Lebenshilfe ist froh, dass die Doppelhaushälfte mitten drin ist in einem Wohngebiet, also im normalen Leben. Dass es Vorbehalte bei der Nachbarschaft geben könnte, glaubt sie nicht: „Unsere Bewohner sind im Zweifel noch viel leiser. Die machen keine lauten Partys. Wir werden aber auch ein Einweihungsfest machen und die Nachbarn einladen.”
Für Petra Fernholz, die Mutter von Philipp und Jakob ist die neue WG jedenfalls ein großes Weihnachtsgeschenk: „Nach all dem, was wir bei der langen Suche erlebt haben.“ Die Umgebung sei gut, das Haus sei schön. Doch unter die Freude mischen sich auch die „Loslassen-Schmerz-Gefühle“ einer jeden Mutter, wenn die Kinder aus dem Haus gehen: „Jetzt wird es bald ernst und meine Söhne haben wirklich ihre eigene Wohnung.“