Hagen.. Das Theater Hagen zeigt Donizettis Oper „Don Pasquale“ in einer regelrechten Traum-Besetzung als heitere Verwechslungs-Komödie mit Tiefgang.

Alt gefreit hat stets gereut: Nach diesem Muster sind viele musikalische Komödien gestrickt. Auch Gaetano Donizettis „Don Pasquale“ ist ein Senior mit plötzlichem Johannistrieb. Das Theater Hagen verwandelt die populäre Oper jetzt in ein zauberhaftes Spiel um Verstellung und Wahrhaftigkeit. Das Publikum feiert mit sehr lang anhaltendem Beifall ein Ensemble mit Starqualitäten und eine richtig einfallsreiche Regie.

Wenn Rainer Zaun in der Titelrolle ein imaginäres Stäubchen von einem Christstern wischt, erfährt man bereits alles über den Charakter des Don Pasquale: Er ist umständlich, geizig, eitel, ein bisschen weltfremd, er trägt karierte Socken mit Spitzenrand und Strumpfhaltern – und er hat Herz. In Ermangelung einer Frau muss er dieses an seine Pflanze hängen. Der Hagener Bass ist ein großartiger Sängerdarsteller, der viel davon versteht, wie Situationskomik auf der Bühne funktioniert. Aber Zaun schafft es zudem, dem verspotteten alten Junggesellen eine Seele zu verleihen. Also ist es plötzlich gar nicht mehr lustig, wie übel der Arzt Malatesta und die gewitzte Norina den betagten Heiratskandidaten mit einer Verwechslungs-Intrige aufs Kreuz legen.

Regisseurin Annette Wolf und Bühnenbildnerin Lena Brexendorff haben am Theater Hagen schon mehrere herausragende Inszenierungen erarbeitet. Der „Don Pasquale“ ist ihre Glanznummer, weil hier in immer wieder überraschenden Einfällen die Klippen der Klamotte sicher umschifft und Esprit mit Tiefgang verbunden werden. Vor allem schafft Annette Wolf es, das Stück taktgenau zur Musik zu inszenieren. So übersetzt sie die vielen Koloraturen in körperliche Ausnahmezustände – etwa, wenn Norina ihren allzu engen Jeansrock nicht über die Hüften hochkriegt.

Ein verwöhnter Neffe

Gleichzeitig wird „Don Pasquale“ zum Spiel im Spiel. Norina und Doktor Malatesta proben die Überlistung des Seniors in einem richtigen kleinen Rokokotheater. Und der hervorragende Chor tritt bestens geführt als klatschende Dienerschaft auf.

Im Laufe der Handlung kippt die Perspektive. Anfangs schon kommt einem der Neffe Ernesto, der eigentlich Norina heiraten will, ein bisschen zu verwöhnt vor und der gute Doktor, der dem Alten Norina als Klosterzögling unterjubelt, ein bisschen zu selbstbewusst.

Der Christstern muss weichen

Aber wenn sich dann Norina vom braven Mädchen in eine Hyäne verwandelt, die Don Pasquale die Heiratslust austreiben will, indem sie ihn bis zur Demütigung schikaniert, und die auch noch seinen Christstern durch einen rosa Plastikweihnachtsbaum ersetzt, verschieben sich die Sympathien zugunsten des gefoppten Bräutigams. Annette Wolf gibt dem glücklichen Ende einen leichten Schubs außerhalb des Protokolls. Denn nicht Norina und Ernesto werden wie erwartet zum Paar. Der begnügt sich mit seiner Spielkonsole, während Pasquale und seine junge Scheinbraut ihre Lektion gelernt haben. Jetzt ist auch der geliebte Christstern wieder im Rennen.

Für den jungen chinesischen Tenor Kejia Xiong ist das Engagement am Theater Hagen die erste Festanstellung nach dem Opernstudio. Und der Ernesto ist seine erste Rolle in Hagen. Dabei lässt Xiong aufhorchen. Sein Tenor hat eine schöne Farbe und Volumen, ist aber beweglich genug für die Raffinessen des Belcanto-Gesangs.

Raymond Ayers gibt den Malatesta souverän mit stimmgewaltigem Bariton. Sopranistin Maria Klier ist der beste Beweis dafür, warum es Bühnen wie das Theater Hagen geben muss. Die junge Sängerin hat hier ihre ersten Schritte wagen können – und nun zeigt sich, welche enorme Entwicklung sie macht. Ihre Norina singt Maria Klier mit strahlendem Sopran, der an Leuchtkraft und Timbre immer mehr gewinnt und absolut hochtonsicher ist. Die Koloraturen kommen wie ein Feuerwerk aus glitzernden Perlen.

Klangvolles Orchester

Der 1. Kapellmeister David Marlow setzt in schönem Einklang mit der Regie Donizettis Partitur mit den Hagener Philharmonikern in einer sinnlichen Balance zwischen Klangrausch und sehnsüchtigen Kantilenen um.

Wieder am 22., 29. 11. 4., 19., 28. 12. Karten: 02331 / 2073218 oder www.theaterhagen.de