Hagen. . Als einziges Haus verfügt das Hagener Osthaus-Museum über Foto-Alben jener Bilder, die von den Nazis als “entartet“ beschlagnahmt wurden. Die Nazis entwendeten allein 146 Rohlfs-Werke. Möglicherweise befinden sich einige davon in dem Münchner Beutekunst-Fund.
Mit großer Spannung wartet das Hagener Osthaus-Museum auf die Listen der Berliner Kunstexpertin Meike Hoffmann, die den spektakulären Münchner Beutekunst-Fund derzeit mit Hochdruck untersucht. Zwischen 400 und 500 Bilder sind in Hagen bei zwei Beschlagnahmungsaktionen der Nationalsozialisten am 6. Juli und 24. August 1937 aus dem heutigen Osthaus-Museum entwendet und zu den Sammelstellen für „entartete“ Kunst in München und Berlin deportiert worden. „Wir wissen nicht, ob der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt aus dem Hagener Konvolut Werke erhalten hat, das können wir alles noch nicht sagen“, so die stellvertretende Museumsdirektorin Dr. Birgit Schulte.
Sofort an die Recherche
Allerdings hat Hagen von allen betroffenen Museen ein Alleinstellungsmerkmal: „Wir haben, was die anderen nicht haben: Alben mit Fotos von den Bildern, die als entartet beschlagnahmt wurden.“ Das heißt: Sollten sich Meister, deren Bilder in Hagen vertreten waren, in dem Münchner Sensationsfund befinden, können die Werke im Vergleich mit diesen Aufnahmen als Hagener Besitz identifiziert werden. Birgit Schulte: „Wenn zum Beispiel publik würde, dass Christian Rohlfs oder Walther Bötticher in der Liste auftauchen, dann könnte ich in die konkrete Recherche gehen.“
Der Münchener Sensations-Fund
Das Telefon der Hagener Kustodin steht derzeit nicht still, denn die Stadt Hagen ist ein bekanntes Zentrum der modernen Kunst – Verbindungen zum aktuellen Beutekunstfund liegen also nahe. Der Kunstpionier Karl Ernst Osthaus gründete hier 1902 mit dem Museum Folkwang das weltweit erste Museum für moderne Kunst überhaupt.
Auch wenn Osthaus’ Erben die Folkwang-Sammlung 1922 nach Essen verkauften, bleibt Hagen bis heute eine erste Adresse, wenn es um Kunst der Klassischen Moderne geht –also um jene Künstler und Kunstwerke, die die Nationalsozialisten so sehr ablehnten, als entartet diffamierten und beschlagnahmten, um sie dann über Kunsthändler wie Gurlitt weiter zu verkaufen – oder nicht zuletzt, um im Wohnzimmer von Parteibonzen über dem Sofa zu landen.
146 Rohlfs-Bilder beschlagnahmt
Christian Rohlfs und Walther Bötticher sind die Künstler, von denen in großer Anzahl Werke in Hagen beschlagnahmt wurden. Dazu kommen Arbeiten unter anderem von Käthe Kollwitz, Egon Schiele und dem Hagener Maler Reinhard Hilker. Woher weiß das Osthaus-Museum, wie viele Gemälde von Christian Rohlfs von den Nationalsozialisten geraubt wurden? Birgit Schulte: „Für Rohlfs gibt es ein eigenes Album. Darin waren rund 160 Werke aufgeführt. 1939 sind es noch glatt mal 14. Daran kann man erkennen, wie viel da verschwunden ist.“
Bisher hat die Berliner Kunstexpertin Meike Hoffmann von der Forschungsstelle „Entartete Kunst“ 500 Werke des Münchner Raubkunst-Fundes gelistet. „Es ist wirklich wichtig, so ein Thema wissenschaftlich und gut aufzuarbeiten“, hat Birgit Schulte Verständnis dafür, dass der Sensationsfund nicht sofort publik gemacht wurde: „Da ich als Wissenschaftlerin weiß, wie viel Arbeit Provenienz-Recherche macht, wundere ich mich nicht, dass es so lange gedauert hat, bis der Fund öffentlich wurde.“
Das Osthaus-Museum freut sich zudem darüber, dass ein weiteres Stück ehemaliger Beutekunst im Sommer nach Hagen zurückkehren kann. Im Jahr 2011 wurden bei Bauarbeiten am Roten Rathaus in Berlin Skulpturen entdeckt, die in einer Sammelstelle für „entartete“ Kunst gelagert worden waren und dann bei einem Bombenangriff verschüttet wurden. Darunter befindet sich eine Plastik der Hagener Bildhauerin Milly Steger, die unter anderem die Frauen-Skulpturen an der Hagener Theaterfassade geschaffen hat. „Das war auch ein Sensationsfund“, unterstreicht Birgit Schulte. Die Ausstellung „Der Berliner Skulpturenfund“ ist im Sommer 2014 im Hagener Osthaus-Museum zu sehen.