Breckerfeld. . Das Urteil ist – das kann man ohne Übertreibung feststellen – eine Sensation: Der Großdealer (26) aus Breckerfeld muss für keinen Tag ins Gefängnis. Die 6. Strafkammer des Hagener Landgerichts verurteilte ihn gestern zu zwei Jahren Haft, setzte die Strafe zur Bewährung aus.

Sogar Verteidigerin Sonka Mehner-Heurs, die kurz zuvor im Plädoyer wie eine Löwin gekämpft hatte, war völlig verblüfft. Sie verkündete den großen Erfolg sofort auf Facebook: „Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“ Und: „Find’ das für diese Anklage echt unglaublich.“

Stimmt, denn die Staatsanwaltschaft hatte dem jungen Mann ursprünglich vorgeworfen, über einen Zeitraum von vier Jahren (Februar 2009 bis Februar 2013) mindestens siebeneinhalb Kilo Marihuana („Gras“) in Top-Qualität („Haze“) verkauft zu haben. Der durch den Drogenhandel erzielte Umsatz, so rechnete das Finanzamt hoch, hätte 72.800 Euro betragen.

Dass man bei einer Hausdurchsuchung neben 804 Gramm Marihuana und 26,1 Gramm Amphetaminen auch noch zwei Totschläger (Teleskopschlagstöcke) und ein Butterfly-Messer gefunden hatte, verschärfte die Situation zusätzlich.

10.000 Euro ans Finanzamt gezahlt

Nunmehr lautete der Anklagevorwurf „bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, dafür sieht das Gesetz einen Strafrahmen von mindestens fünf Jahren Gefängnis vor. Die Höchststrafe beträgt 15 Jahre. „Wir bewegen uns hier in Gefilden wie bei einem Tötungsdelikt“, sagte Vorsitzender Richter Dr. Christian Vogt.

„An eine Bewährungsstrafe war deshalb zunächst nicht mehr zu denken“, gestand Verteidigerin Mehner-Heurs, „und das habe ich meinem Mandanten im Vorfeld auch so gesagt.“ Und obwohl die Staatsanwältin eine Gefängnisstrafe forderte, stellte die Verteidigerin „den kühnen Antrag“ ein Urteil mit Bewährungschance auszusprechen – und fand damit beim Gericht Gehör.

Die Kammer machte Klimmzüge: Der Rauschgifthandel hätte nicht im Februar 2009, sondern erst im November 2011 begonnen. So blieben von den 77 angeklagten Verkaufstaten nur 16 übrig, heruntergerechnet auf acht 200-Gramm-Margen, also insgesamt 1,6 Kilo Marihuana. Zudem sei eine finanzielle Wiedergutmachung in Höhe von 10.000 Euro ans Finanzamt erfolgt.

Auch hätte der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet, als er einen Hinweis gab, der zur Entdeckung einer Cannabisplantage führte. Besonders hoch rechneten die Richter dem Breckerfelder sein „sozial adäquates Verhalten“ an: Er habe einen Beruf erlernt, immer gearbeitet und kümmere sich um sein Kind: „Deshalb wollen wir Ihnen diese einmalige Chance geben“, so Richter Dr. Vogt.