Hagen. . Florian Ludwig dirigiert mit den Hagener Philharmonikern Mahlers monumentale 3. Sinfonie und begeistert damit das Publikum

Mit 95 Minuten Spieldauer ist Gustav Mahlers 3. Sinfonie eine der längsten und größt besetzten Instrumentalkompositionen der Musikgeschichte. Dass GMD Florian Ludwig sie mit den Hagener Philharmonikern überhaupt aufführen kann, verdankt sich zwei Glücksfällen: dem von Ludwig unlängst gegründeten Philharmonischen Chor, dessen Damen den Frauenchorpart mit Leidenschaft meistern. Und der Tatsache, dass es inzwischen wieder Knabenchöre in der Region gibt, so der von Georg Hellebrandt gegründete in Hagen. In Kooperation mit dem Sinfonieorchester Münster lässt sich zudem das gigantische Instrumentarium des Werkes realisieren - Mahler schreibt in der Partitur allein acht Hörner vor.

Immer wieder lauert der Marsch als kollektiver menschlicher Urrhythmus im Hintergrund der Dritten, im monumentalen ersten Satz angetrieben vom Schlagwerk. Doch es dauert, bis sich die verstreuten Rufe in Horn, Posaune und Trompete zur großen Melodie vereinen, und die legt Florian Ludwig ganz bewusst als Trauermarsch an.

Der Hagener GMD lotet in diesem gigantischen Werk die erzählerischen und vor allem auch die dramatischen Aspekte aus - ohne sich von dem gewaltigen Klangapparat dazu verführen zu lassen, überlaut zu werden. Stattdessen findet der Dirigent in der Klangmasse gerade die leisen Töne und macht zudem immer wieder deutlich, wie verstörende Dissonanzen in Mahlers sinfonisches Weltgemälde einbrechen. Dabei setzt er nicht nur auf die Konflikte, sondern gerade auf die Traumbilder. So wird das Posthornsolo im dritten Satz zum großen Ereignis der Interpretation. Es klingt aus der Ferne - und bricht damit als andere Daseinsrealität in die Sinfonie ein: als Traum, als Utopie.

Wunderschönes Posthorn-Solo

Peter Mönkediek, Solotrompeter des WDR-Sinfonieorchesters in Köln, singt die Posthorn-Melodie in wunderschönen weichen Bögen aus. Im Gegensatz zu diesem Naturidyll mit seinen Vogelstimmen ist der langsame vierte Satz ein dunkles Nachtstück: Altistin Hermine Haselböck gestaltet Nietzsches Nachtwandlerlied aus „Also sprach Zarathustra“ als delikate Jugendstil-Selbstreflektion im zauberhaften Dialog mit der Horngruppe und der Solovioline. Im 5. Satz kommt die Religion ins Spiel, wenn Knabenchor und Frauenstimmen glockensüß „Es sungen drei Engel“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ anstimmen - und Florian Ludwig verknüpft dabei mit leichter Hand Humor und innige Frömmigkeit.

Bis hierhin hat Florian Ludwig das Publikum in der Hagener Stadthalle auf eine große musikalische Reise mitgenommen, auf eine Suche nach Antworten auf die ewigen Fragen von Glaube, Leben und Tod. Im Schlusssatz kommt nun die Liebe zur Sprache, und zwar nicht triumphal, sondern wie zögernd, in samtigen Streicherpassagen schwingend und erneut durch die typisch Mahlerschen Verstörungen bedroht. Ludwig findet dafür einen beseelten Puls, der ohne Bombast zur gewaltigen Coda überleitet, die von der Flöte mit ihrem Solo in Gang gesetzt wird. Es zählt zu den Höhepunkten der Interpretation, dass diese gigantische Apotheose nicht zur Brüllnummer wird: Ludwig legt sie als Gebet im Choral der Hörner, Trompeten und Posaunen an.

Begeisterter Beifall

Die um die Münsteraner Kollegen verstärkten Hagener Philharmoniker spielen mit Herzblut; die zahlreichen Solopartien zeigen, wie leistungsstark das Orchester sein kann. Das Publikum - darunter die Fankurve aus dem Sauerland; das Patenorchester der Jugendmusikschule des HSK war mit einem Bus angereist - feiert dieses seltene Hörereignis mit begeistertem Beifall.