Hagen. .

Angelina Jolie und ihr Einfluss auf die Volmestadt. Egal, wie akribisch Sie recherchieren, Sie werden eigentlich keine Verbindungen zwischen dem Weltstar und Hagen finden. Das hat sich seit Jolies Entscheidung, sich ihre Brüste amputieren zu lassen, allerdings schlagartig geändert. Denn im Hagener Brustzentrum im Allgemeinen Krankenhaus ist so etwas wie ein Jolie-Effekt erkennbar.

„Ja“, sagt Chefarzt Dr. Marc Schüssler, „die Leute haben durch die Art der Berichterstattung durchaus Panik bekommen.“ US-Schauspielerin Angelina Jolie hatte sich auf Grund einer erblichen Vorbelastung sicherheitshalber beide Brüste entfernen lassen. Speziell im Bereich der Nachsorge tat sich für viele Patientinnen des Brustzentrums am AKH die Frage auf: „Muss ich mir jetzt auch die Brüste abnehmen lassen?“

150 Fälle in Hagen pro Jahr

Der Brustkrebs, so erklärt Dr. Marc Schüssler, gehört zu den Krebsarten mit den besten Früherkennungsmöglichkeiten. Eine durchschnittliche Frau trägt im Laufe ihres Lebens ein 10-prozentiges Risiko in sich, an Brustkrebs zu erkranken.

„In Hagen gibt es etwa 150 Brustkrebsfälle pro Jahr“, sagt Dr. Marc Schüssler. Bei etwa 10 bis 15 davon liege möglicherweise eine BRCA-Mutation vor (Erklärung siehe Beistelltext). „Grundsätzlich aber gilt: 90 Prozent aller Brustkrebsfälle sind nicht genetisch bedingt“, so Schüssler, der versucht, der aktuellen Hysterie um das Thema auf wissenschaftliche Weise Wind aus den Segeln zu nehmen.

Bei der Beratung der Frauen muss zunächst geklärt werden, welche Risiken tatsächlich in den kommenden Jahren auf sie zukommen. „Das Lebenszeitrisiko ist eine schwer vorstellbare Größe – falls sie denn überhaupt eine genetische Veranlagung haben“, sagt Schüssler.

Keine überstürzten Operationen

Selbst wenn eine Frau das gefährlichste Risiko der BRCA1-Mutation habe, betrage die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten drei Jahren zu erkranken, nur wenige Prozent. Wichtig sei also: Ruhe bewahren und gut nachdenken. Keinesfalls liege in einer solchen Lage ein Notfall vor, der zu überstürzten Operationen Anlass geben sollte.

Dazu kommt: Hat eine Genträgerin ein gewisses Alter erreicht, hat sie offenbar trotz der Veranlagung kaum noch ein erhöhtes Risiko.

Aus diesen Gründen sehe die deutsche Fachgesellschaft den Trend zur prophylaktischen Entfernung der für das Selbstwertgefühl der Frau so wichtigen Brüste kritisch und spricht den Menschen zwar das Recht zu, eine solche Entscheidung zu treffen, empfehle diesen Schritt nach den vorliegenden Daten aber nicht.

Die Früherkennung, so Schüssler, sei der Schlüssel zur Problemlösung bei genetischen Risiken.

„Wenn eine genetische Belastung vorliegt, was nur 0,1 Prozent der Frauen in Hagen betrifft, so haben diese Anspruch auf sehr intensive Vorsorgeuntersuchungen. Alles wird genau mit den genetischen Beratungsstellen abgesprochen.“

Was heißt das nun alles für Frauen in Hagen, denen der Hype um Angelina Jolie Angst eingejagt haben könnte? Schüssler: „Dass es zunächst mal keinen Grund für die größte aller Sorgen gibt. Selbst für den Fall, dass es einen Befund gibt. Die Behandlungs – und Heilungschancen sind heute besser denn je. Niemand muss beunruhigt sein, wenn in der Familie bei einer Tante oder Großmutter mal ein Tumor auftrat.“

Und was hieße das für Angelina Jolie in Hagen? „Ich hätte ihr geraten, sich allenfalls die Eierstöcke entfernen zu lassen. Das Risiko, dass sie an Eierstockkrebs stirbt, ist in ihrem Fall nämlich deutlich höher.“