Hagen.

Tabuthemen tun weh. Weil sie niemand an- und keiner aussprechen will. Sexuelle Gewalt an Kindern ist so ein Thema. Und wenn Petra Rottmann von Wildwasser Hagen Recht hat, ist in jeder Hagener Schulklasse ein Kind betroffen. Die mögliche Dunkelziffer mal außen vor gelassen. Das Naturerlebniszentrum Marienhof hat das Beratungsangebot von Wildwasser jüngst wahrgenommen. Ein Beispiel dafür, wie man sexueller Gewalt in Einrichtungen oder Betrieben vorbeugt und im Einzelfall reagieren kann.

Nein, einen konkreten Fall hat es auf dem Marienhof nie gegeben. „Trotzdem“, sagt Mitarbeiter Thomas Venjakob, „bei uns gehen das ganze Jahr über sehr viele Kinder und Jugendliche ein und aus. Und wir wollten uns für das Thema einfach noch mehr sensibilisieren.“

Was ist sexuelle Gewalt? Und wo fängt sie an? „Sie beginnt immer dann, wenn eine Verletzung stattgefunden hat. Das kann eine Berührung sein oder nur ein Schimpfwort“, sagt Petra Rottmann.

So manche Verletzung mag dabei in der negativen Routine des Alltags untergehen. Zum Beispiel werde das Wort „Schlampe“ auf deutschen Schulhöfen höchst inflationär benutzt. Schon das gegenseitige Zeigen von Pornofilmen auf dem Handy kann ein Übergriff sein, sofern das Gegenüber sich dadurch beschämt fühlt.

Wissen vor Gefühlen?

„In der Schule ist Wissensvermittlung meistens wichtiger als die Gefühlswelt der Kinder“, kritisiert Rottmann, „auf unsere Lehrer prasselt viel ein. Vielleicht sind sie auch manchmal überfordert.“ Dennoch: Seit den Vorfällen an der Odenwald-Schule oder den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche im Jahr 2010 sei das Thema wieder stärker präsent als zuvor.

„Nach der Beratung konnte ich persönlich mit dem Thema unverkrampfter umgehen“, sagt Thomas Venjakob. Am Marienhof kam dazu das gesamte Personal zusammen. Die Fortbildungsinhalte: Wie funktioniert sexueller Missbrauch? Welche Methoden gibt es zur Unterstützung bei Vorfällen? Und welche Rahmenbedingungen kann man schaffen, damit Tätern der Zugriff auf Kindern erschwert wird?

Autoritäre Leitungsstrukturen würden es Tätern leichter machen, erklärt Rottmann. Denn: Wenn Täter größere Angst vor der Aufdeckung eines Falls haben, werde gleichzeitig auch der Druck auf die Kinder erhöht, die ohnehin schon unter einem immensen Geheimhaltungsdruck stehen würden. Ein Teufelskreis. Das Angebot von Wildwasser fußt auf drei Säulen.
1. Präventionsarbeit. 2. Beratung und 3. Fortbildungen. Pro Woche laufen etwa vier Fälle bei Wildwasser in Hagen auf.

Gegen den Geheimhaltungsdruck

„Wir nehmen am Marienhof viel für die Zukunft mit aus dem Beratungsangebot“, sagt Venjakob. Wer das Angebot privat oder mit seinem Betrieb oder seiner Institution gerne wahrnehmen möchte, kann sich entweder auf der Internetseite von Wildwasser Hagen informieren, www.wildwasser-hagen.de, oder Kontakt zum Team des Mädchentreffs aufnehmen, unter der Telefonnummer 02331-371013.