Hagen. . Bei einer Tagung der deutschen Sozialpsychologen an der Fernuni Hagen referiert Prof. Mark Snyder über die Motivation für ehrenamtliches Engagement.

Was treibt Menschen dazu, sich für andere einzusetzen? Warum investieren sie Zeit, Anstrengung und Geld, um Fremden etwas Gutes zu tun? Was ist die Motivation hinter ehrenamtlichem Engagement und wie lässt sie sich fördern? Das sind Fragen die den Sozialpsychologen Mark Snyder, Professor an der Universität von Minnesota und weltweit einer der führenden Vertreter seines Fachs, seit Jahrzehnten beschäftigen. Gestern hielt er das Grundsatzreferat bei der Tagung der Fachgruppe für Sozialpsychologie, zu der von Montag bis Mittwoch 200 Wissenschaftler an der Fernuni Hagen zusammengekommen sind.

Snyder hat alle Formen gemeinwohlorientierter Arbeit untersucht und nach dem Grund für das Engagement gefragt. Es entspreche den Werten, war die häufigste Antwort. Aber diese Werte teilen die Helfer mit denen, die nichts tun, stellte Snyder fest. Er entdeckte auch eigennützige Motive: Die Helfer wollen ihre Fähigkeiten weiterentwickeln, neue Freunde finden oder sich als bessere Menschen fühlen. Aber der zweitwichtigste Grund, etwas zu tun, war ein anderer: Gemeinsinn. Das Gefühl, die Nachbarschaft, das Land oder die ganze Welt sollten ein besserer Ort sein.

Darauf hat sich Snyder in den letzten Jahren konzentriert. Und er hat festgestellt, dass nicht nur die Bedeutung, die der Einzelne seiner Gruppe beimisst, für das ehrenamtliche Engagement wichtig ist, sondern dass dieses Engagement gleichzeitig Gemeinschaft herstellt. Wodurch das Individuum zufriedener und gesünder wird und die Gesellschaft besser. Großartig. Aber lässt sich das beeinflussen?

Snyder hat ein Experiment gemacht. Er hat sechs Stufen identifiziert, die Einzelne zur Gruppe finden lassen: Welche Gruppe gibt es? Wer gehört dazu? Wie wichtig ist die Gruppe für mich? Wie fühle ich mich, wenn ich teilnehme? Welchen Erfolg hat die Arbeit? Was wird später daraus? Dann hat er in Workshops anhand dieser sechs Stufen damit begonnen, Gemeinschaften herzustellen. Mit messbarem Erfolg. Seine Konsequenz: „Praktischer Gemeinsinn sollte in die Lehrpläne der Schulen aufgenommen werden. Das nützt dem Individuum und der Gesellschaft.“

Und was ist mit dem Internet: Gefährdet das nicht das Engagement? Snyder sieht das nicht so: „Wir können jetzt eine Gemeinschaft mit Menschen in aller Welt bilden, zum Beispiel bei Wikipedia.“ Und er sieht auch nicht, dass Kontakte im sozialen Netzwerk die persönlichen verdrängen. „Das ist kein Entweder - Oder. Wer sich im Netz engagiert, tut es wahrscheinlich auch in der Gemeinde.“ Warum sind Amerikaner da aktiver als die Deutschen? Snyder sieht historische Ursachen: die dünne Besiedelung, den lange schwachen Zentralstaat, den Zwang zur gegenseitigen Hilfe. In Europa sei mehr durch staatliche Strukturen abgedeckt. Aber die abzubauen und mehr Selbsthilfe zu verlangen, hält er für wenig erfolgversprechend.

Etwas Egoismus hilft länger

Prof. Stefan Stürmer leitet das Lehrgebiet für Sozialpsychologie an der Fernuni. Er hat die Tagung mitorganisiert und forscht selbst zu Themen wie Altruismus und Engagement. Seine Erkenntnisse: Wer aus egoistischen Motiven hilft, bleibt länger dabei als jemand, der rein humanitäre Gründe hat. Ein Engagement für die eigene soziale Gruppe ist stabiler als eines für fremde „Unterprivilegierte“. Man hilft also doch lieber Seinesgleichen. Traurig? „Gruppen können sich durch gemeinsame Arbeit redefinieren“, betont Stürmer. Aber: „Auch die Hilfeempfänger lassen sich lieber von der eigenen Gruppe unterstützen.“