Hagen. .
Der Stadtrat will dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg heute posthum die Ehrenbürgerwürde der Stadt Hagen aberkennen. Wir sprachen mit Rainer Stöcker (62), Lehrer am Rahel-Varnhagen-Kolleg, Buchautor und Mitglied im Hagener Geschichtsverein, der diese Initiative auf den Weg gebracht hat.
Sie haben 1974 schon gegen Hindenburg protestiert. Was war passiert?
Stöcker: Ich war damals in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und habe mit Gleichgesinnten das Straßenschild in der Hindenburgstraße mit Salvador-Allende-Straße überklebt. Es war der 11. September, ich weiß es noch genau, der Jahrestag des Putsches gegen Allende in Chile.
Was hatte Allende mit Hindenburg zu tun?
Hindenburg war ein Wegbereiter des Faschismus, Allende dessen Opfer. Er war ein Jahr zuvor vom Militär in Chile gestürzt worden. Das hat uns seinerzeit stark bewegt, auch wenn man sich das nicht mehr vorstellen kann.
Aber wir waren politisch engagiertere Leute als sehr viele Jugendliche heute.
Was genau geschah damals?
Wie gesagt, wir haben das Straßenschild überklebt und Flugblätter in der Hindenburgstraße verteilt. Die Polizei ist mit mehreren Autos vorgefahren und hat dem Spuk schnell ein Ende bereitet. Mehrere meiner Freunde wurden stundenlang in der Wache Prentzelstraße festgehalten.
Wie sind Sie damals zur Politik gekommen?
Eine große Rolle spielte damals der Vietnam-Krieg der USA. Das waren grauenhafte Bilder, die wir damals im Fernsehen zu sehen bekamen. Die Berichterstattung über die heutigen Kriege erweckt ja eher einen klinisch reinen Eindruck, so als würden mit Drohen nur die wirklich Schuldigen getötet. Dabei sind Kriege heute noch genauso grausam wie ehedem.
Wie beurteilen Sie Ihren damaligen Protest aus heutiger Sicht?
Ich stehe bis heute dazu, bin sogar ein bisschen stolz darauf, denn wir waren unserer Zeit voraus. Denn wer damals wie wir die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit vorantrieb – und in diesen Kontext gehört Hindenburg zweifellos auch –, der galt als Nestbeschmutzer und musste mit Widerständen fertig werden. Erfreulicherweise hat sich das in den vergangenen 40 Jahren deutlich geändert.