Hagen. . Die Raser hielten sich beim 24-stündigen Blitzmarathon in Hagen weitestgehend zurück. Nur wenige Fahrzeuge mussten gestoppt werden, darunter aber auch ein Bus. Die meisten Fahrer blieben gelassen und zahlten ihr Bußgeld gleich vor Ort - bis auf einen.

Wolfram Hoffmann springt auf die Straße und hält dem Mercedes-Fahrer die rote Kelle vor die Windschutzscheibe. Der bremst sofort ab und fährt rechts ran. Mit 40 km/h war er in der 30er-Zone unterwegs, die fälligen 15 Euro ­bezahlt er sofort. „Ich zahle regelmäßig und unterstütze die Stadt“, sagt Werner Knorr und lacht. Er nimmt das Bußgeld recht gelassen hin: „Ich bin schon sauer, aber über mich selber.“

Morgens, halb sieben in Hagen, der landesweite Blitzmarathon hat begonnen. Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern, die Laserpistole piept. Polizeihauptkommissar Wolfram Hoffmann versteckt sich hinter einem dicken Baumstamm, die Autofahrer, die er in rund 200 Meter Entfernung anvisiert, haben fast keine Chance, den 53-Jährigen rechtzeitig zu sehen. „Das Gerät kann ich auch aus der Hand bedienen“, sagt der erfahrene Beamte, „wichtig ist nur, dass sich das Fahrzeug möglichst gerade auf das Messgerät zubewegt.“ Der Laserstrahl wird vom Nummernschild reflektiert, bei Motorrädern oder Fahrrädern richtet Hoffmann das Licht auf den Scheinwerfer.

Die Mini-Fahrerin

Der Polizeiwagen mit Hoffmanns Kollegen Cem Sencan und Horst Anderseck steht – ebenfalls kaum sichtbar – auf der anderen Seite der Zehlendorfer Straße in einer Einfahrt. Gleich beginnt in der nahe gelegenen Hildegardis-Schule der Unterricht, eilig bringen Eltern ihre Kinder bis vors Schultor. Und ausgerechnet die, die es eigentlich besser wissen müssten, sind hier zu schnell unterwegs. So wie Werner Knorr, der seine Kinder noch abgesetzt hatte, bevor ihm Wolfram Hoffmann vors Auto sprang.

Auch die junge Frau im kleinen Schwarzen – Auto, wohlgemerkt – ist zu schnell. Gleich mal 16 km/h zu viel. Das kostet 25 Euro, den „Kundenbeleg“, so steht es tatsächlich auf der Quittung, gibt es gratis dazu. Auch für sie ist es keine Premiere: „Es ist nicht das erste Mal, dass ich geblitzt werde. Man ist selber schuld, man weiß es ja. Ab jetzt fahre ich hier immer 30“, verspricht sie. Ihr Geldbeutel und die Kinder, die hier aus dem Bus steigen und über die Straße laufen, würden sich darüber freuen.

Der Aggressive

Apropos Bus: Der darf nicht mehr überholt werden, sobald er den Warnblinker anwirft. Und wenn er in einer Bucht hält, dürfen Autos nur im Schritttempo vorbeifahren – auf beiden Straßenseiten. Der junge Mann in dem sportlichen Mercedes mit den noch sportlicheren Hochglanzfelgen hält sich nicht dran und fährt mit 29 km/h am Bus vorbei. Wolfram Hoffmann zückt die Kelle. Doch jetzt gibt der Verkehrssünder erst richtig Gas. Er baut sich vor dem Polizeibeamten auf, diskutiert, schimpft, wird aggressiv. Hoffmanns Kollegen kommen dazu, damit die Situation nicht eskaliert. Drei Uniformen machen dann offenbar doch mehr Eindruck als eine. Die Lage entspannt sich wieder. Das Verwarnungsgeld von 35 Euro lehnt er trotzdem ab. Dafür wird ihm in den nächsten Tagen eine Anzeige ins Haus flattern, sagt Polizeisprecher Uli Hanki später, weitere Gebühren inklusive. Als Abschiedsgruß lässt der junge Mann noch mal den Motor aufheulen. „Dieses Verhalten ist zum Glück eine absolute Ausnahme“, sagt Wolfram Hoffmann. „Wenn ich die Regeln nicht drauf habe, sollte ich mich vielleicht mal nachschulen lassen.“

Der Busfahrer

Szenenwechsel: Hoffmann und seine Kollegen postieren sich am Vormittag an der Volmestraße. Stark befahren, zwei Spuren auf jeder Seite und genug Platz, um die Tachonadel mal ein Stückchen jenseits die 50 zu drücken. Aber nicht an diesem warmen Frühlingstag. „Hier wird viel langsamer als sonst gefahren“, stellt Wolfram Hoffmann schon nach wenigen Minuten fest und klingt dabei fast ein bisschen enttäuscht. Kurz darauf geht ihm dann aber doch ein dicker Fisch ins Netz. Ausgerechnet ein Busfahrer ist 10 km/h zu schnell unterwegs. Das kann richtig teuer werden, denn wer Personen befördert, unterliegt strengeren Regeln. Glück im Unglück: Es war nur eine Leerfahrt.

Die Ausrede

Eine Handvoll Autofahrer halten Hoffmann und seine Kollegen in der nächsten Stunde noch an, die Geschwindigkeitsübertretungen halten sich aber alle im Rahmen. Erst ab neun Stundenkilometern zu viel kommt die Anhaltekelle zum Einsatz, drei km/h Toleranz werden noch abgezogen. Die meisten Verkehrssünder sind einsichtig, manche versuchen es mit Ausreden. So wie der Fahrer des silbernen Citroën, der behauptet, einen Radfahrer überholt zu haben, um eine gefährliche Situation zu vermeiden „Wir hören uns Ausreden gerne an, aber akzeptieren können wir sie natürlich nicht“, sagt Wolfram Hoffmann und lacht. Ein Fahrrad war übrigens weit und breit nicht zu sehen.

Die Schnellsten

Der Ertappte muss ebenso zahlen, wie die 86 anderen Fahrer, die bis Dienstagnachmittag angehalten wurden. Insgesamt wurden in Hagen 1600 Fahrzeuge überprüft. Die Schnellsten waren mit 66 bei erlaubten 50 bzw. 53 Stundenkilometern in einer 30er-Zone unterwegs. „Das ist wenig“, sagt Sprecher ­Ulrich Hanki, „man merkt, dass die Leute den Blitz­marathon im Hinterkopf gehabt haben.“

Am Nachmittag ist Dienstschluss für Wolfram Hoffmann und seine Kollegen. Mit dem Auto geht’s nach Hause, aber natürlich in angemessenem Tempo. „Ich habe auch in der Freizeit eine Vorbildfunktion“, sagt Hoffmann. Und es wäre ja auch etwas peinlich, wenn ihm plötzlich ein Kollege die rote Kelle vor die Windschutzscheibe halten würde.