Hagen. . SIHK-Geschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick fordert erneut den Abriss des Finanzamtes, um die Schadstoff-Problematik am Märkischen Ring in den Griff zu bekommen. Der Denkmalschutz spricht allerdings dagegen.
Von seinem Büro im dritten Stock des Finanzamtes hat Martin Mentz (49) einen logenartigen Ausblick auf den Emilienplatz. Obwohl ununterbrochen Autos unterhalb seines Fensters vorbeirollen, hält sich der Verkehrslärm an seinem Arbeitsplatz in Grenzen. „Dies ist ein Eckzimmer, hier kann ich es aushalten“, sagt Mentz, der mit Grundstücksangelegenheiten zu zu hat. „Früher war es dagegen schrecklich. Da habe ich in der ersten Etage gearbeitet.“ Und dort trafen beständig die Schallwellen der vorüber brausenden Fahrzeuge an sein Ohr und zerrten an seinen Nerven.
50 Räume unbesetzt
Heute ist Mentz so etwas wie einer der drei letzten Mohikaner – Pardon: Mitarbeiter –, deren Büro auf der dem Märkischen Ring zugewandten Gebäudeseite liegt. Die weiteren 50 Räume sind unbesetzt, sie werden höchstens für Besprechungen in Anspruch genommen oder als Archiv genutzt. „Das geschieht mit Rücksicht auf die Gesundheit unserer Mitarbeiter“, begründet Wilhelm Brandt (63), Vorsteher des Finanzamtes, den Leerstand. „Die Schadstoff- und Geräuschbelastung im vorderen Gebäudeteil ist einfach zu hoch.“
Durchschnittlich 44.000 Fahrzeuge passierten 2012 pro Werktag die Straßenschlucht zwischen dem Finanzamt und den Mehrfamilienhäusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Abgase, die sie ausstoßen, wabern förmlich in der Atmosphäre und verpesten das Mikroklima. Bis heute ist es der Stadt Hagen an dieser Stelle nicht gelungen, die Vorgaben des Luftreinhalteplans einzuhalten, Stickstoffdioxid- und Feinstaubgrenzwerte werden regelmäßig überschritten. Auch das Lkw-Routenkonzept, das Lastwagen bei besonders hoher Luftverschmutzung die Durchfahrt verbietet und auf kilometerweite Umwege zwingt, hat zu keiner merklichen Verbesserung geführt. „Wir schaffen es einfach nicht, die Messwerte weiter zu senken“, gibt Hans-Dieter Schumacher vom Planungsamt freimütig zu.
Abgase wie im Kessel
Auch der Industrie- und Handelskammer ist das Problem seit langem bekannt. Hauptgeschäftsführer Hans-Peter Rapp-Frick hat deshalb seine alte Forderung, das Finanzamt in das ehemalige Telekom-Gebäude auf dem Höing umzusiedeln, erneuert. Dann könnte das Gebäude am Märkischen Ring mit seinen hässlich-markanten Stelzen abgerissen werden, und die Abgase würden sich nicht länger wie in einem Kessel am Ring konzentrieren. „Die Immobilie auf dem Höing steht leer und wäre eine vernünftige Alternative“, so Rapp-Frick. Andererseits würde die Straßenschlucht am Märkischen Ring deutlich verbreitert, was die Luftzirkulation erhöhen würde. Alle bisherigen Maßnahmen zur Luftverbesserung, darauf verweist Rapp-Frick mit Recht, seien schließlich erfolglos gewesen.
Doch selbst wenn das Finanzamt auf den Höing umziehen sollte, wäre ein Abriss am Märkischen Ring kaum zu bewerkstelligen. Denn das 1927 errichtete Behördenhaus steht seit 1991 zu großen Teilen unter Denkmalschutz, gerade die zur Straße gelegene Front gelte als wichtiger Bau der backsteinexpressionistischen Zeit, erläutert Dr. David Gropp vom Westfälischen Denkmalamt in Münster: „Es handelt sich um ein sehr schlüssiges, stimmiges Denkmal.“ Dass die Immobilie dem Land NRW gehört und vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb in Soest verwaltet wird, macht die Gemengelage nicht einfacher.
Stoßlüften
Die 211 Finanzbeamten und 15 Azubis, die täglich ihren Dienst in der Behörde versehen, wollen ihren innenstadtnahen Dienstsitz im übrigen auch nicht unbedingt verlassen. „Die Mitarbeiter fühlen sich hier wohl“, ließ der Personalrat verlauten. Aus der Tatsache, dass 50 Amtsräume höchstens eingeschränkt nutzbar sind, hat die Verwaltung des Hauses eine Tugend gemacht und das Personal so auf die verbliebenen 200 Zimmer aufgeteilt, dass die Arbeit reibungslos funktioniert.
Martin Mentz an seinem Schreibtisch im Eckzimmer legt ab und an eine Pause ein, öffnet das Doppelfenster und verlässt während des Stoßlüftens den Raum. Dann geht es – mit dem Blick auf den immerwährenden Verkehr – frisch ans Werk. So hat er sich eingerichtet inmitten seiner Arbeit und der Diskussion um Autolärm und reine Luft.