Hagen.

Schminken Sie sich alle Überzeugungsversuche ab. Wenn ein Fremder mit seinem Rollköfferchen aus dem Hagener Hauptbahnhof stiefelt, wird er folgende drei Gedanken NICHT haben.

Hagen ist schön.

Diese Stadt freut sich auf mich.

Und: Hier will ich bleiben.

Das liegt nicht an den Menschen, sondern eher an der Maus-grau-Bauart des Bahnhofsviertels mit seinem frostigen Charme. Am wohlsten fühlen sich hier die Tauben. Das sagt leider viel.

Mit Bahnhofs-Melancholie soll jetzt aber Schluss sein. Künftig sollen Gäste vor dem Hauptgebäude stolpern – natürlich nur im übertragenen Sinn. Und zwar über einen Tour-i-Taxi-Stand. Den Stand gibt es zwar noch nicht, die Sightseeing-Droschken rollen aber schon durch die Stadt. Und zwar auf drei Routen. Wir sind mitgefahren. An Bord von Taxifahrer Fred Berges.

Wie gut kennen Sie ihre Stadt? Und kommen Sie jetzt nicht mit „Wir spielen in der ersten Liga Basketball. Wir haben früher den besten Zwieback der Welt gebacken. Und: Wir sind das Tor zum Sauerland.“ Kalter Kaffee. Tausendfach erzählt. Wirklich.

Eines vorweg, bevor Fred Berges den Zündschlüssel rumdreht. Wer sich von seiner Stadt mal richtig schön überraschen lassen will, gönnt sich mal ein Tour-i-Taxi. Dann ist nämlich Schluss mit dem Standard-Gesäusel vom Basketball, vom Zwieback und vom Sauerland.

Auf drei festgelegten Routen werden die Taxis, eine Idee und Umsetzung des Hagener Unternehmervereins, künftig durch die Stadt rollen. Neun Unternehmen sind bislang dabei. Tendenz: Es werden mehr. „Es gibt unglaublich viele Anfragen von weiteren Unternehmern, die mitmachen wollen“, sagt Fred Berges. In seinem Kopf ist Hagen eine Art Karteikasten. Man nennt eine Straße und sein Gehirn spuckt binnen Sekunden die kürzeste Strecke zum Ziel aus. Genauso faszinierend wie eine Kassiererin im Discounter. Man legt den Artikel hin, sie jagt den Code in die Tasten.

Wir rollen das Wasserlose Tal hoch. Schon zigmal hier gewesen. Berges biegt ab. Walddorfstraße. Der Reporter – ein Hagener Junge – steht, pardon: sitzt auf dem Schlauch.

Berges legt los: „Das ist die ehemalige Textilarbeitersiedlung Walddorfstraße, eng verbunden mit dem Hagener Impuls.“ Die weiteren Fakten: Der Münchener Architekt Richard Riemerschmid erhielt 1907 den Auftrag, eine Siedlung mit 87 Häusern sowie Straßen und Plätzen zu konzipieren. Als Auftakt entstand eine Zeile von sechs Häusern: Die Walddorfstraße 3 bis 21. Ja gut, kennt man. Aber hat man die Häuserreihe schon mal gesehen? Seien Sie ehrlich . . .

Das, was Fred Berges erzählt, wird bald übrigens von einer CD abgespielt. Die ist in Mache.

Die Tour „Hagener Impuls“ hat neun Stationen. Mit dabei: Die Villa Cuno, der Hohenhof und – wenn man will – die Karl-Halle-Straße. Keine protzigen Sehenswürdigkeiten, aber Gebäude, die eine Geschichte erzählen. Toll für Einheimische. Noch viel toller für Fremde. Die Kosten für die Tour: 28 Euro. Fred Berges weiß: „Der Preis entspricht dem Original-Fahrpreis für diese Streckenlänge.“ Versprochen.

Die Tour „Museum“ geht so: Karl -Ernst-Osthaus-, Emil-Schumacher-, Stadtmuseum, Lange Riege, Freilichtmuseum. Die Fahrt gibt’s für 13 Euro. Ein Schnäppchen, angesichts des Bildungswertes.

Fred Berges flitzt jetzt Richtung Hagener Süden. Klinik Ambrock. Dann rechts rein. Ab in die Natur. „Grünes Hagen“ heißt die Route. Vom Osthaus-Museum ins Volmetal, über Zurstraße, den Wildpark und die Christian-Rohlfs-Straße zurück zum Osthaus-Museum.

Gedankenspiele in der Natur: Fürs Spazierenfahren durch die Landschaft muss endlich mal ein Begriff her. Duden-Redaktion, aufgepasst: Autowandern. „Der ist super. Der beschreibt dieses Erlebnis perfekt.“ Welches Erlebnis? Ganz egal zu welcher Jahreszeit man über die Dahler Höhen fährt, völlig schnuppe wann man mal durch Hamperbach oder Wirminghausen rollt – der Ins-Graue-Gucker am Hauptbahnhof hat nicht den Hauch einer Ahnung, was Hagens grüner Gürtel zu bieten hat. „Hagen ist wunderschön an vielen Ecken“, sagt Berges. Recht hat er.

Übrigens: Auch wenn das Touristen-Taxi voll besetzt ist, ändert das nichts am Fahrpreis. Eine Tour mit Kumpels? Eine Stadtrundfahrt für die Schwiegermutter? „Klar, ist doch ein schönes Geschenk“, sagt Fahrer Berges. Für was auch immer die Tour gedacht ist, man kann Sie unter 2222 bestellen. Gute Fahrt.