Hagen. . Oberbürgermeister Dehm erwägt, die Zahlungen an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu stoppen. Grund sind die nahezu undurchschaubaren Berechnungsgrundlagen. Einige Hagener Unternehmen zahlen über 400 Prozent mehr an Rundfunkbeitrag als bisher.

Die Stadt Hagen erwägt, dem Beispiel der Stadt Köln zu folgen und die Zahlung ihres Rundfunkbeitrages bis auf Weiteres zu stoppen. Das kündigte Oberbürgermeister Dehm an. Als Grund nannte er die unklaren Berechnungsgrundlagen.

Bisher mussten alle Kommunen pro Gerät zahlen, seit Anfang des Jahres wird der Betrag jedoch über eine komplizierte Rechnung auf die Zahl der Betriebsstätten und Mitarbeiter umgelegt. Auf die Stadt Hagen kommt dadurch eine drastische Gebührenerhöhung zu.

Zwar steht die erste Rechnung der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), die sich seit 1. Januar beschönigend Beitragsservice nennt, noch aus, doch rechnet man im Rathaus an der Volme mit einem Gesamtbetrag von etwa 40.000 Euro pro Jahr. Das entspricht einer Steigerung von 60 Prozent.

Undurchsichtige Berechnungsprinzipien

Zum Vergleich: 2012, dem letzten Jahr, in dem noch das alte Berechnungsmuster galt, musste die Stadt 25.000 Euro berappen. Dass Dehm über eine Stornierung der Zahlungen nachdenkt, hat allerdings nichts mit der Höhe der Gebühren zu tun, sondern mit den undurchsichtigen Berechnungsprinzipien.

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Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kommt die Stadt und ihre Tochtergesellschaften durchweg teuer zu stehen. Gezahlt werden muss nicht nur für die Verwaltungsgebäude, sondern auch für Kindergärten, Museen, Theater, Volkshochschule, Musikschule, Bürgerämter, Männerasyl und Drogenberatung. Statt wie bisher 7500 Euro werden in den genannten Bereichen ab sofort 20.500 Euro im Jahr fällig.

Auch die Gebühren für die Schulen (bislang 13.200 Euro) werden steigen, da nun auch die bislang von der Gebühr befreiten Sonderschulen einbezogen werden. Zudem wird für die Feuerwehr (bisher 3700 Euro) sowie den vergrößerten Wirtschaftsbetrieb Hagen (bisher 500 Euro) ein höherer Ansatz erwartet. „Die konkreten Abrechnungen bekommen wir erst Mitte Februar, es wird aber definitiv mehr sein als nach der alten Rundfunkgebühr“, so Stadtsprecher Thomas Bleicher.

Auch Hagener Wirtschaft beklagt regelrechten Gebührenschock 

Auch die Hagener Wirtschaft beklagt einen regelrechten Gebührenschock. So ist der Rundfunkbeitrag für die Stadtbäckerei Kamp um sagenhafte 401 Prozent gestiegen: von 80,64 auf jetzt 323,51 Euro pro Monat. Der Betrag setzt sich zusammen aus 89,90 Euro für die Backstube in der Schwerter Straße und 5,99 Euro für jede der 39 Filialen – und das, obwohl die Angestellten dort weder Fernsehen gucken noch Radio hören dürfen und ihnen auch kein Computer zur Verfügung steht. „Wir zahlen für eine Leistung, die wir nicht nutzen“, ärgert sich Stefanie Kamp über diesen Umstand.

Würde ihr Unternehmen mit seinen Kunden genauso unverschämt umspringen und die Preise von einem Tag auf den anderen um 401 Prozent erhöhen, dann würde ein Brötchen jetzt 1,16 Euro statt 29 Cent kosten. „Wir sind zum Spielball der Rundfunkanstalten geworden“, so Stefanie Kamp. Die erhöhte Gebühr würde aber nicht auf die Kunden umgelegt, verspricht sie.

Steigerung um 464 Prozent

Auch im Hause Douglas kann man immer noch nicht so recht glauben, was auf das Unternehmen zurollt. Doch die von Justiziar Roland Kirsten mehrfach geprüften Berechnungen lassen keinen Zweifel zu: Für die 1131 Filialen, in denen der Handelsriese in Deutschland Parfümerie-Artikel, Bücher, Schmuck, Süßwaren und Kleidung verkauft, muss er nun monatlich 32.768,78 Euro berappen. Bislang waren es nur 5806 Euro. Das entspricht einer Steigerung von 464 Prozent.

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Der Gebühren-Wucher ist natürlich auch der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer nicht verborgen geblieben. Es gebe eine deutliche Benachteiligung gewisser Branchen, so Iris Fellerhoff, Expertin für Steuern und Kommunalfinanzen: „Filialbetriebe gehören dazu, auch Speditionen.“ Die Gebührenerhebung lasse keine klare Linie erkennen, und wenn die Beiträge für manchen Gebührenzahler tatsächlich gesunken seien, wie es ARD und ZDF behaupten würden, dann dürfe das nicht zu Lasten von Unternehmen geschehen, die dafür mehr zahlen müssten.