Hagen. . Die Hagener Polizei setzt den Einseitensensor erst seit dieser Woche ein, andernorts wurden Temposünder vor Gericht schon freigesprochen. Die Richter bemängelten die Geheimniskrämerei bei der Messwertermittlung.

Kommen Temposünder, die vom neuen Einseitensensor der Hagener Polizei erfasst werden, womöglich straffrei davon? In anderen Städten wurden bereits drei betroffene Autofahrer vor Gericht freigesprochen, die Messungen des Gerätes ESO 3.0 verworfen. Die Richter monierten, es sei nicht nachvollziehbar, wie die Anlagen funktionierten.

Voller Stolz präsentierten Polizeipräsident Frank Richter und Michael Hoffmann, Chef der Direktion Verkehr, am vergangenen Montag den hochmodernen Blitzapparat. 170.000 Euro hatte die Behörde für die Anschaffung des Instrumentes und des dazugehörigen Wagens ausgegeben. Das Gerät kann auch in Kurven blitzen und einen Tempoverstoß über mehrere Fahrstreifen hinweg erkennen. Der Einsatz mehrerer Kameraperspektiven ermöglicht es den Beamten zudem, beide Fahrtrichtungen einer Straße gleichzeitig zu überwachen und sowohl Front als auch Heck eines Fahrzeugs gestochen scharf zu fotografieren. Somit können die Kennzeichen von Motorradfahrern identifiziert werden.

Bereits drei Freisprüche

Andernorts ist die Lichtschranke schon länger in Gebrauch, tausende Autofahrer wurden bereits mit Geldbußen und Fahrverboten belegt. Doch im letzten Jahr sprachen die Amtsgerichte Kaiserslautern (Aktenzeichen 6270 Js 9747/11.1 OWi), Landstuhl (4286 Js 12300/10) und Groß-Gerau (30 OWi-1439 Js 51481/10) drei Verkehrsteilnehmer frei - mit nahezu der gleichen Begründung: Da die Herstellerfirma ESO nicht offen lege, wie die Apparatur arbeite, sei nicht überprüfbar, ob die Messwertbildung im Einzelfall korrekt zustande komme.

Tatsächlich hält das Unternehmen aus Tettnang die Details der Messwertbildung als Betriebsgeheimnis unter Verschluss. Experten wie der Rechtsanwalt Tobias Goldkamp aus Neuss fordern daher, den Einseitensensor solange nicht einzusetzen, bis mehr als nur das allgemeine Messprinzip bekannt ist: „Ansonsten werden die Rechte auf ein faires Verfahren und auf effektiven Rechtsschutz verletzt.“ Denn letztlich könne niemand überprüfen, ob die Messung mit rechten Dingen zugegangen sei.

Gerät seit vier Tagen im Einsatz

Auch der ADAC beobachtet die Verwendung des Messgerätes mit Skepsis. Man solle nicht glauben, dass sich „Hightech automatisch in die rechtsstaatliche Praxis einfügen“ lasse, so Dr. Peter Meintz, Sprecher des Automobilclubs in Dortmund: „Natürlich ist Verkehrsüberwachung notwendig. Aber sie muss fair, transparent und nachvollziehbar sein.“

Vor dem Hagener Amtsgericht ist es selbstredend noch nicht zu einem Verfahren in Sachen ESO 3.0 gekommen, ist das Gerät doch erst seit vier Tagen im Einsatz. Rechtsanwalt Holm Feyerabend rät jedoch Schnellfahrern, denen ein Bußgeldbescheid ins Haus flattert, vorsorglich mit Verweis auf die Rechtsprechung Einspruch einzulegen: „Wie die hiesigen Richter das Messverfahren bewerten, ist abzuwarten.“

ESO wird weiterhin eingesetzt

Im Polizeipräsidium war bis gestern nicht bekannt, dass das Messverfahren mittels ESO 3.0 umstritten ist. Auf die entsprechenden Gerichtsverfahren aufmerksam gemacht, kam die Leitung der Behörde zu dem Schluss, dass mit dem Sensor alles seine Ordnung habe: „Die Polizei ist von der ordnungsgemäßen Funktion des Gerätes überzeugt und hat absolut keine Bedenken, es einzusetzen“ , so Polizeioberrat Hoffmann.

Schließlich sei das Gerät von der physikalisch-technischen Bundesanstalt geprüft worden, ergänzte Behördensprecherin Cornelia Leppler. Und zumindest das Urteil aus Kaiserslautern sei vom Oberlandesgericht aufgehoben worden: „Wir werden ESO 3.0 daher weiterhin zur Geschwindigkeitskontrolle einsetzen.“