Hagen. . Beschäftigte in der Stadtverwaltung sind vor allem eins: mögliches „Einsparpotenzial“. Auf 600 Stellen hat OBJörg Dehm dieses Potenzial beziffert. Die Zahl ist zwar realistisch: So viele der rund 2.700 Beschäftigten werden ausscheiden. Nur ist unklar, was mit den Aufgaben passiert.

Beschäftigte in der Stadtverwaltung sind vor allem eins: mögliches „Einsparpotenzial“. In keiner Haushaltsrede darf der Verweis darauf fehlen. Auf 600 Stellen hat Oberbürgermeister Jörg Dehm dieses Potenzial beziffert. Die Zahl ist zwar realistisch: So viele der rund 2.700 Beschäftigten (Stand: 30. September 2012) der Stadtverwaltung werden ausscheiden.

Allerdings ist für den Personalrat nicht geklärt, wer ihre Arbeit übernehmen kann. Denn viele der Tätigkeiten sind unverzichtbar. So sind beispielsweise 260 Feuerwehrleute, 260 Erzieherinnen, 300 Reinigungskräfte (sie wurden behalten, weil dies billiger und effektiver als eine Privatisierung war) oder auch 130 Schulsekretärinnen und Schreibkräfte darunter. Ganz abgesehen von den 90 Hausmeistern und Objektbetreuern oder den 85 Beschäftigten im Jobcenter (siehe Grafik, Stand: Januar 2012).

Beim Personalrat und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist daher die Wahrnehmung eine andere: Unterbesetzungen, Überstunden, Einstellungsstopp, Überlastung und ausgesetzte Beförderungen sind die Themen, die dort diskutiert werden. Denn schon jetzt fehlt es an vielen Ecken. Beschäftigte scheiden aus, Nachfolger gibt es nicht. „Der Krankenstand ist so hoch wie nie, weil sie bis zur Belastungsgrenze und darüber hinaus arbeiten“, kritisiert Verdi-Geschäftsführerin Regina Sparfeld-Möbus. Weiteres Einsparpotenzial sehe sie nicht.

Aufgaben werden komplexer

„Natürlich sinkt die Bevölkerungszahl in Hagen, von einst 235.000 auf künftig 160.000. Aber die Verwaltung kann nicht im selben Maße schrumpfen“, macht der Personalratsvorsitzende Günter Brandau deutlich. Denn die Aufgaben hätten ja nicht abgenommen. Im Gegenteil: Ständig seien neue Aufgaben hinzu gekommen – von der Umweltverwaltung bis zur U3-Betreuung. Die Daseinsfürsorge ändere sich dadurch kaum: „Wir reduzieren ja deshalb ja auch nicht die Feuerwehr um ein Drittel“, rechnet Brandau vor. Gleiches gilt für die Straßenreinigung: Die zu reinigenden Flächen bleiben ja gleich, wenn auch weniger Menschen darüber liefen.

Neue Aufgaben

„Diese Rechnung würde nur funktionieren, wenn wir einen Stadtteil schließen würden – mit allen Straßen, Kitas, Infrastruktur“, greift Thomas Köhler, Personalrat und Verdi-Vorsitzender, das Thema auf. „Aber das geht ja nicht.“ Zudem kämen immer weitere Aufgaben hinzu: Natürlich würden weniger Ausweise ausgestellt. Doch die Aufgabe werde immer komplexer – vom biometrischen Foto bis zur Speicherung des Fingerabdrucks. „Das ist heute ein ganz anderer Aufwand“, so Köhler. Ganz abgesehen davon, dass die Zahl der Autos pro Kopf gestiegen sei – weniger Zulassungen gibt es daher nicht. Im Sozialbereich – vom Jugendamt bis zum Pflegebereich – sei der Dokumentationsaufwand enorm gestiegen: „Die Sozialarbeiter stehen ja jeden Tage mit einem Bein im Gefängnis. Sie müssen dokumentieren und sich absichern“, betont Brandau.

Kritisch sieht Regina Sparfeld-Möbus, dass künstlich neue Aufgaben geschaffen werden, die keinem Bürger etwas brächten. So wurden durch das neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) zahlreiche Betriebswirte eingestellt, die früher nicht gebraucht wurden. „Das ist ein riesiger Moloch“, beklagt Köhler das neue System. Ein weiteres Beispiel seien die neuen Verrechnungsmodelle: Beim „Vermieter-Mieter-Modell“ würden nun die Immobilienwirtschaft den Fachbereichen Rechnungen für ihre Räume stellen: „Das ist ein riesiger Mehraufwand für interne Verrechnungen, die Personal binden“, beklagt Brandau. „Und einen Einspareffekt sehen wir dadurch nicht“, ergänzt Köhler.

Fehlende Aufgabenkritik

Andere Mehraufgaben kommen aus der Politik: „Die Politik wird anspruchsvoller. Es gibt umfangreiche Fragenkataloge, die zeitnah und gründlich beantwortet werden müssen“, erklärt Brandau. „Das ist ja auch gut und richtig, dass die Politik alles hinterfragt. Aber auch dafür braucht man in der Verwaltung Ressourcen.“

Schon jetzt sei die Mangelwirtschaft in vielen Bereichen kaum mehr zu kompensieren: „Bis 2020 wird jede zweite Stelle im eigentlichen Verwaltungsbereich unbesetzt sein“, glaubt Brandau. Denn trotz Einstellungsstopps müssten einzelne „Spezialisten“ von außerhalb eingestellt werden – vom Arzt für das Gesundheitsamt bis zum Architekten für die Stadtplanung – um die gesetzlichen Aufgaben erfüllen zu können. „Doch das erhöht den Kostendruck an anderer Stelle“, so Brandau. Das eigentliche Problem sei die fehlende Aufgabenkritik: Einsparen könne man nur, wenn bisherige Aufgaben und Leistungen hinterfragt und gestrichen würde. „Es gibt seit Jahren keine Bedarfsplanung“, kritisieren die Arbeitnehmervertreter den OB. Von einer Entwicklungsplanung, woher die Leute kommen sollen, davon traut man sich kaum noch zu sprechen. „Wenn man Leute intern für neue Aufgaben qualifizieren will, müssten sie ja irgendwo übrig haben. Aber wir haben keine Überhänge. Wir reißen immer nur neue Löcher“, beklagt Köhler.