Hagen. . Im Führerstand einer Museums-Dampflok knallte Reinhard S. im unbeleuchteten Goldbergtunnel kurz vor dem Bahnhof Hagen-Oberhagen bei voller Fahrt mit dem Kopf gegen eine Notlampe. Seitdem liegt er im Wachkoma. Seine Schwester fordert deshalb vor dem Landgericht 100.000 Euro Schmerzensgeld.
Der Kläger ist nach dem Unfall so schwer krank, dass er selbst nicht mehr vor Gericht erscheinen kann. Reinhard S. (50) liegt seit 19 Monaten im Wachkoma. Seine Schwester fordert deshalb vor dem Landgericht 100.000 Euro Schmerzensgeld.
Hinter Aktenzeichen 9 O 231/12 verbirgt sich eine tragische Geschichte und sehr viel Leid. Am 6. Mai 2011, einem Freitag, veränderte sich das Leben von Reinhard S. von einer Minute auf die andere. Gegen 19.40 Uhr prallte der Hobby-Heizer im Führerstand einer Museums-Dampflok im unbeleuchteten Goldbergtunnel kurz vor dem Bahnhof Oberhagen bei voller Fahrt mit dem Kopf gegen eine Notlampe. Er wurde dabei so schwer verletzt, dass er sein Bewusstsein nicht wiedererlangte. „Es ist wohl auch nicht mehr damit zu rechnen“, trägt die traurige Angehörige vor.
Reinhard S. - die Schwester beschreibt ihn als „Kerl wie ein Baum“ - war seit seinem 14. Lebensjahr eingefleischter Bahnfan. Jede freie Minute verbrachte er als Mitarbeiter im Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen. Der gelernte Universalfräser saß am liebsten im Führerstand der „P8“, dem 120 Tonnen schweren Koloss, der als das schönste Dampfross Deutschlands gilt.
Weit aus dem Seitenfenster herausgelehnt
Er war nicht nur ein sehr erfahrener Heizer, sondern hatte auch den Lokführerschein gemacht und sämtliche Sicherheitsschulungen absolviert. Umso unverständlicher erscheint es, warum sich Reinhard S., der unter Museumseisenbahnern als äußerst besonnen und gewissenhaft galt, während der Fahrt durch den sehr langen und völlig dunklen Goldbergtunnel so weit aus dem Seitenfenster herauslehnt hatte.
Nach einem Messprotokoll der Aufsichtsbehörde, dem Eisenbahn-Bundesamt, muss der Oberkörper von Reinhard S., als er mit dem Kopf gegen den verhängnisvollen Kandelaber prallte, mehr als 45 Zentimeter aus der Lokomotive herausgeragt haben. Soviel betrug nämlich der von einem Gutachter berechnete Abstand zwischen der Außenkante der Lok und der modernen Leuchte, die nur in einem Notfall angehen sollte und seitlich an der Tunnelwand verschraubt war.
25 Zentimeter bis zur Lampe
„Wir berechnen den Abstand ganz anders“, wendet Anwalt Christoph Jordan (Hamburg) für den Geschädigten Reinhard S. ein. „Von der Außenkante des Fensters waren es nur 25 Zentimeter bis zur Lampe. Das durfte so nicht sein.“
Der Vertreter der DB Netz AG, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, kann hingegen „keinerlei Verschulden der Beklagten erkennen.“ Eine Zahlung von 5000 Euro könnte er sich jedoch vorstellen, „als kleinen Anerkennungsbetrag“.
Ermittlungsakte zugeklappt
Und Oberstaatsanwalt Wolfgang Rahmer, der die strafrechtlichen Aspekte in dieser Unfallsache prüfen musste, hat die Ermittlungsakte ohne Anklageerhebung bereits zugeklappt. Er findet es „eigentlich ganz einfach: In einem unbeleuchteten Tunnel hat der Kopf im Zug zu bleiben.“
So leicht kann es sich Richter Christian Niemöller im Zivilverfahren allerdings nicht machen. Niemöller muss sich erst noch durch ein wirres Dickicht von Eisenbahnbetriebsverordnungen und Spezialbegriffen wie „Regellichtraumprofil“ quälen, bevor er die Schmerzensgeldentscheidung im Fall vom Reinhard S. fällen wird.