Hagen.. Loverboys sind junge Männer, die noch jüngere Mädchen in der Öffentlichkeit ansprechen und sie später sukzessive in die Prostitution treiben. Die Diakonie Mark-Ruhr berichtet, dass es zuletzt auch in Hagen konkrete Verdachtsmomente für diese bislang tabuisierte Kategorie psychischer und sexueller Gewalt an jungen Mädchen gibt.
Nein, man sollte nach der Lektüre der folgenden Zeilen nicht gleich Angst vor jedem attraktiven, jungen Mann am Schulhoftor bekommen. Eine gehörige Portion Misstrauen sollte man aber schon im Schulrucksack mit sich herumtragen. Der Moment, um den es hier geht, gehört nämlich in eine bislang total tabuisierte Kategorie psychischer und sexueller Gewalt an jungen Mädchen. Es geht um Loverboys. Ein Phänomen, für das die Diakonie Mark-Ruhr in Hagen eindeutige Verdachtsmomente ausgemacht hat.
Der Begriff hat etwas sehr Beschönigendes. Gemeint sind keine Herren, die Liebesdienste offerieren oder sich hüllenlos in Nachtclubs verdingen. Loverboys sind junge Männer, die noch jüngere Mädchen in der Öffentlichkeit ansprechen, dafür sorgen, dass sie sich in sie verlieben und sie sukzessive in die Prostitution treiben. Am Ende dieses Prozesses stehen häufig hörige junge Frauen. Gebrochene Psychen. Und die Angst davor, sich einer helfenden Hand anzuvertrauen.
Konkrete Verdachtsmomente auch in Hagen
„Es gab zuletzt konkrete Verdachtsmomente“, sagt Margarete Kummer, Sozialpädagogin bei der Diakonie Mark-Ruhr, „auch in Hagen“.
Am Freitag, 26. Oktober, wird in der Paulusgemeinde (Borsigstraße 11), die Informationsveranstaltung „Die Masche mit der Liebe“ stattfinden. Der Arbeitskreis gegen Kinderprostitution und Menschenhandel (AK KIPRO), die Angehörigen-Selbsthilfegruppe EILOD und die Diakonie Mark-Ruhr in Hagen greifen das Thema Loverboys an diesem Tag erstmals konkret in Hagen auf.
Bärbel Kannemann, ehemalige Kriminalkommissarin, wird dort ebenfalls referieren. Sie sagt: „Überall, wo wir die Veranstaltung durchgeführt haben, gab es plötzlich Opfer, die sich zu Wort gemeldet haben.“ In Hagen gibt es bislang keinen offiziellen Fall. Eben „nur“ jene Verdachtsmomente der Diakonie-Mitarbeiter.
Margarete Kummer weiß, was in Opfern von Loverboys vorgeht. Der Zwang, die psychische Gewalt, der Druck. Nicht selten kommen Schulden ins Spiel.
Viele Opfer denken, sie seien Einzelfälle
Anfangs beginnen die Opfer mit der angeblich „großen“ Liebe ein sexuelles Verhältnis, ehe es zu Vergewaltigungen und zum plötzlichen Zwang, auch mit anderen Männern schlafen zu müssen, kommen kann. „Plötzlich können heimlich Fotos in eindeutigen Situationen gemacht werden“, sagt Kummer, „Die Mädchen werden damit dann zum Beispiel erpresst.“
„Angesprochen werden kann man praktisch überall“, sagt Kummer, „vor der Schule, in der Disko, im Café.“ Häufig werde daheim nicht über den ersten oder den fortlaufenden Kontakt mit den jungen Männern, die dem kleinkriminellen Milieu zuzuordnen sind, gesprochen.
„Es ist ganz wichtig, dass die Eltern ihr Kind genau beobachten. Während des Seminars werden wir Rat und Hilfestellung dazu geben, wie man sich verhalten kann und an wen man sich wenden kann.“
200 Mädchen wurden Opfer in Deutschland
Dirk. R., Vater einer Tochter, die Opfer von Loverboys wurde, wird ebenfalls referieren. Seine Tochter musste durchmachen, was bundesweit - das ist zumindest die offizielle Zahl - 200 junge Mädchen durchmachen mussten. „Viele, die sich nicht trauen über ihre Situation zu sprechen, können bei seinen Ausführungen plötzlich spüren, dass sie nicht allein sind. Viele Opfer denken ja, sie seien reine Einzelfälle“, so Kummer.
In Hagen ist es bei Routine-Kontrollen in der Vergangenheit bereits zur Entlarvung junger, zur Prostitution gezwungener Frauen gekommen. Wie unsere Zeitung weiß, haben die Mädchen trotz eindeutiger Hinweise geleugnet, Opfer von Zwangsprostitution zu sein.